Hobby:Modelleisenbahn war gestern, jetzt kommt "Parkettbahning"

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Guido Kruschke kommt es nicht auf Figürchen, Bäumchen oder Berge an. Der Tutzinger stellt in seinem Wohnzimmer die original Schienenanlagen bestehender Bahnhöfe nach - bis zum letzten Abstellgleis.

Von Otto Fritscher, Tutzing

Das muss ein kleiner Schreck für Nicola Kruschke gewesen sein. Als sie aus dem Urlaub zurückkommt und die Wohnungstür aufschließt, kann sie kaum einen Fuß auf den Boden setzen. Alles ist zugebaut: Auf dem Parkett schlängeln sich Gleise quer durch Flur und Wohnzimmer, darauf stehen ein paar Spielzeugeisenbahnen. Ihr Mann Guido Kruschke, Manager im Verlagsgewerbe von Beruf, hatte ihre Absenz genutzt, um in der verwaisten Wohnung seinem Hobby zu frönen: dem "Parkettbahning", wie es auf Denglisch heißt.

Bodenständig: Guido Kruschke verlegt seine Eisenbahn direkt auf dem Parkett. (Foto: Arlet Ulfers)

Wer nun meint, es handele sich dabei um eine normale Modellbahnanlage, wie sie früher in fast jedem Kinderzimmer zu finden waren, den klärt Guido Kruschke gleich mal auf: "Wir bauen keine stationäre Anlage, die dann meist fest montiert ist und nur noch selten verändert wird." Parkettbahner stecken Gleise und Weichen lieber einfach so zusammen, bauen auf dem Parkett oder dem Teppich oft einen wirklichen Bahnhof mit all seinen Gleisen nach.

Die Pläne dafür habe früher die Bahn selbst zur Verfügung gestellt, nun muss das Internet aushelfen. Kruschkes aktueller Nachbau ist die Gleisanlage des Bahnhof von Seehausen am Staffelsee. Züge verkehren auf dem C-Gleis von Trix mit der Nenngröße H0. Und worauf Kruschke besonders stolz ist: "Alles digital." Die Züge dirigiert er von seinem Tablet aus, jede Lok kann einzeln programmiert werden - von der Geschwindigkeit bis zur Farbe der Lichter.

Mehr als 400 Anlagen hat Kruschke schon konzipiert, von der ersten Skizze über die millimetergenaue Planung am PC bis hin zum Aufbau im Wohnzimmer. (Foto: Otto Fritscher)

Und genauso schnell, wie eine Parkettbahnstrecke aufgebaut ist, verschwinden die Einzelteile wieder im Schrank. "Zurzeit baue ich jedes Wochenende eine Anlage auf", sagt der 56-Jährige und lacht. Oder er sitzt am PC und tüftelt mit einem speziellen Gleis-Planungsprogramm Streckenführungen aus. Oft baut Kruschke Kopien von Original-Bahnhöfen wie Murnau oder Uffing, die er Gleis für Gleis, Weiche für Weiche bis zum letzten Drehteller nachbildet und die kleinen Loks dort ähnlich dem richtigen Fahrplan steuert.

Er steuert die Züge von seinem Tablet aus. (Foto: Arlet Ulfers)

Woher kommt nun sein Faible für Eisenbahnen der Epoche 3, wie Eingeweihte den Zugverkehr in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nennen? "Das war die Blütezeit der Dampfloks, und es gab eine große Vielfalt an Typen und Farben. Heute ist bei der Bahn doch alles Rot", seufzt Kruschke. Natürlich, als Kind hatte er eine Spielzeugeisenbahn von seinem Vater geschenkt bekommen, doch mit dem Größerwerden erlahmte wie bei vielen das Interesse daran. 401 verschiedenen Pläne - darüber führt Kruschke genau Buch - hat er bisher entwickelt und gespeichert.

Wie viele Loks er sein Eigen nennt, will Kruschke nicht verraten, man dürfte aber nicht schief liegen, wenn man angesichts der spürbaren Begeisterung von einigen Dutzend ausgeht. "Diese Woche habe ich nur vier Waggons bestellt", sagt er. Als besonders teuer will Kruschke sein Hobby nicht einstufen. Eine Lok kostet zwischen 150 und 400 Euro.

"Planen, aufbauen, fahren", das ist laut Kruschke der Dreiklang eines Parkettbahners. "Nur 20 Meter" misst die aktuell aufgebaute Strecke, aber Kruschke kann viel mehr verbauen, bis zu fünfgleisig sind seine Konstrukte manchmal. Was dem Betrachter im ersten Moment fehlt, sind die Bäumchen und Häuschen, Figuren, Wälder, Berg- und Tallandschaften, wie sie viele Modelleisenbahnen zieren. "Darauf kommt es mir eben nicht an", sagt Kruschke. Wie ist das, wenn man versehentlich auf ein Gleis tritt? "Kein Problem, die sind robust, es summt nur ein bisschen im Fuß, weil eine Spannung von 18 Volt anliegt."

Kaum Berührungspunkte hat Kruschke indes mit dem Modelleisenbahn-Club, den es sogar in Tutzing gibt. "Mit Clubs habe ich es nicht so", sagt er. Und auch mit der richtigen, großen Deutschen Bahn hat es Kruschke nicht so: "Ich fahre lieber mit dem Auto." Und wie geht es seiner Frau Nicola inzwischen mit seinem extensiven Hobby? "Manchmal sitzen wir zu zweit da und lassen einfach die Züge fahren", erklärt Kruschke. Er sei dabei sogar schon eingeschlafen. Nicola Kruschke grinst und erinnert sich an die Anfangszeit der Eisenbahnen in ihrem Wohnzimmer. "Damals gab es genau noch Platz für einen Sessel, in dem ich Stricken konnte", sagt sie. "Heute baut er am Freitagabend auf und am Sonntagabend ist das Zeug wieder weg."

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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