Kultur im Landkreis Starnberg:Attacken eines falschen Priesters

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"Fürchtet euch vor der Furcht, denn sie könnte euch zu sehr ängstigen": Holger Paetz in der Politischen Akademie in Tutzing. (Foto: Nila Thiel)

In schwarzer Soutane teilt der Kabarettist Holger Paetz aus: In seiner Fastenpredigt in Tutzing bekommen so gut wie alle politischen Gruppierungen ihr Fett weg.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Holger Paetz schafft es schnell, einen Raum für sich einzunehmen. Wenn der Kabarettist dasteht, groß, hager, in schwarzer Soutane, und mit miesepetrigem Blick auf die Besucher starrt, nimmt man ihm den Fastenprediger schon ab, bevor er überhaupt das Wort ergreift. Spätestens, wenn er seine Hand hebt und die Stimme zu einem Donnern anschwellen lässt, weiß der Zuschauer: Jetzt kommt der Angriff. Dann wird man geradezu überrollt von einer geballten Ladung an scharfzüngigen und schonungslosen Beobachtungen.

Seine Gemeinheiten sind mal ätzend, mal zynisch. Und manchmal schlägt er mit makaberem Humor zu. Seit Jahren ist es das Markenzeichen von Holger Paetz, mit dem Programm "Fürchtet Euch!" den Fastenprediger zu geben. Stets kommt er begleitet von Orgelmusik auf die dunkle Bühne, um dann mit erhobenem Zeigefinger zu verkünden: "Fürchtet euch vor der Furcht, denn sie könnte euch zu sehr ängstigen."

Der Auftritt ist immer gleich, nur der Text wird jedes Jahr den politischen Gegebenheiten angepasst. Schon zum vierten Mal unterhielt Holger Paetz am Sonntag mit seiner Fastenpredigt die Zuschauer in der ausverkauften Politischen Akademie in Tutzing. Dort hat er eine treue Fangemeinde. Die Besucher nehmen ihm nichts übel, nicht, wenn er von oben herab mit strengem Blick in die Runde blickt, wie ein Prieser von der Kanzel, der die größten Sünder unter seinen Schäfchen sucht. Und auch nicht, wenn er sich von böse zu bitterböse steigert.

Die Zuschauer verzeihen ihm sogar, wenn er seinen Text größtenteils abliest. Es sind viele große und kleine Geschichten, die er in Gedichte und Lieder verpackt. Die trägt er übrigens vor, ohne dabei sein Textbuch zurate ziehen zu müssen.

Paetz ist schonungslos offen und legt immer den Finger in die Wunde - die AfD etwa konfrontiert er mit inhaltlichen Widersprüchen in Sachen "Remigration": Damit könnten die Rechtspopulisten doch gleich bei sich selbst anfangen - immerhin komme doch die Familie von Tino Chrupalla aus Polen und Alice Weidel habe einen Wohnsitz in der Schweiz. Zur Forderung von AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern, meint er, man sollte doch ein neues Bündnis gründen, das Team Weidel -Wagenknecht heißt.

Wunderbar sind die Wortschöpfungen des Kabarettisten

Paetz macht gerne unkonventionelle Lösungsvorschläge. So regt er beispielsweise an, den Bauern die Luft aus ihren Traktorreifen zu lassen, damit sie wie alle anderen auch zu Fuß zum Demonstrieren gehen müssen. Und über Kanzler Scholz sagt er: "Glücklich ist, wer vergisst, dass er zuständig ist." Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier attestiert er, dieser sei ein verhinderter Kirchenratspräsident.

Die CSU hat es ihm richtig angetan. Immer wieder kommt er darauf zurück, etwa, wenn es ums Gendern geht ("Weil sie sich gegängelt fühlen, wollen sie andere gängeln und das Gendern verbieten."). Zum Wolf und der Aussage von Markus Söder, der Wolf gehöre nicht hierher, sagt er: "Abschießen, abschieben - das verwechselt man schon mal." Wer so viel Fleisch esse wie Söder, der vertrage eben keine Fressfeinde.

Seine Kommentare zu CDU oder FDP sind stets bissig, nur die Grünen kommen bei Paetz gut weg. Im Gegenteil hier kritisiert er, dass sie so gehasst werden und sich über Bayern eine düstere "Woke-Wolke" zusammenbraut.

Wunderbar sind die Wortschöpfungen des Kabarettisten, der jahrelang Autor des Nockherberg-Singspiels war, wie etwa "unfairice", eine Mischung aus unselig und unfair. Den Freie- Wähler-Chef Hubert Aiwanger bezeichnet er als "steuergeldgesponserten Demo-Hupfer". Und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen nennt er "stark abgeliebt". Keine Frage: Holger Paetz bringt die Leute zum Nachdenken. Aber Buße tun und fasten müssen sie bei ihm nicht.

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