Tutzing:Der Preis des guten Geschmacks

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Als "Märchenhaus-Makler" vom Starnberger See vermittelt Andreas Botas hochexklusive Immobilien.

Benedikt Warmbrunn

Auf Gut Rösselberg bei Tutzing, am Südrand des Landkreises Starnberg, wohnt Andreas Botas. Er ist Gutsbewohner. Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

- Geld ist im Überfluss vorhanden in dieser Geschichte, es spielt keine Rolle mehr. Geld ist nicht der Feind. Der Feind ist der Geschmack.

Die Fahrt zu den Stätten des guten Geschmacks beginnt auf einem Feldweg voller Schlaglöcher. Andreas Botas steuert seinen Wagen aus der Erinnerung heraus, reißt das Lenkrad mal nach links, mal nach rechts, er schaut kaum auf den Feldweg. Botas redet über Ästhetik, er sagt: "Über Geschmack lässt sich nicht streiten." Geschmack - das ist das Lieblingsthema von Botas. Er hat an diesem Nachmittag schon zwei Stunden lang darüber gesprochen, in seinem Büro, wobei die Bezeichnung "Büro" nicht ganz zutrifft. Botas, 52, sommerliche Gesichtsfarbe, die angegrauten Haare elegant nach hinten gelegt, lebt und arbeitet auf Gut Rößlberg in der Nähe von Tutzing: weiße Mauern, großes Haupthaus, Nebengebäude, Stall, Bäume, zwei Katzen, Hühner. Seine Frau erntet gerade Quitten. Botas' Arbeitszimmer liegt im ersten Stock, es ist in einem kaiserlichen Rotton eingerichtet. Lange Tafel, Teppich, Polterstühle, am Fenster der Schreibtisch, etwas unaufgeräumt. Das überflüssige Geld und den guten Geschmack, von hier aus führt Botas sie zusammen.

An einer milchigen Schiebetür vor dem Bücherregal hängen Fotos: Häuser am See, ein Jagdhaus, ein Gutshof. Es sind alte Gebäude, gebaut um die Wende zum 20. Jahrhundert. Unter den Fotos stehen Zahlen, die meisten siebenstellig, manche achtstellig. Andreas Botas ist Makler. Es heißt, dass er nur Grundstücke verkauft, die mindestens drei Millionen Euro kosten, aber das stimmt nicht ganz. "Ich verkaufe nur Objekte, die schön sind", sagt Botas.

Inzwischen hat er den Wagen über den Feldweg gelotst, kurz vor Tutzing stoppt er und schimpft leise: Er war im Funkloch, nun hat er den einzigen Anruf des Nachmittags verpasst. Botas drückt auf seinem Smartphone herum, er würde den Anrufer gerne zurückrufen, aber irgendwie klappt das nicht. Er hat nicht viele Kunden, weil er immer für sie da sein will, nun hat er gegen seine oberste Regel verstoßen.

Der Wagen rollt langsam durch Tutzing. Botas lobt den Bahnhof, an dem am Wochenende zweimal täglich ein ICE hält. Er lobt die Einkaufsmöglichkeiten. Er lobt die Lage: Hang, Blick auf den See. Überhaupt, der Starnberger See: seit Jahrzehnten ein Ort, der anlockt, der verführt, angereichert durch Erzählungen und Märchen. König Ludwig II starb in dem See. Sissi ist am Westufer aufgewachsen, im Schloss Possenhofen. Dieser Ruf lockt an, der Starnberger See gilt als die exklusivste Wohngegend Deutschlands. Ein Einfamilienhaus in guter, aber nicht bester Lage kostet durchschnittlich etwa 850 000 Euro, die Preise für Immobilien steigen Jahr für Jahr um zwei bis drei Prozent. Doch die Käufer können es sich leisten: Studien beschreiben den Landkreis als zahlungskräftigste Region Deutschlands, ein Pro-Kopf-Einkommen von 26 120 Euro, 15,2 Prozent Topverdiener-Haushalte, das sind Zahlen. Und für wen Geld überhaupt keine Rolle mehr spielt, der wendet sich an Botas.

Makler im Allgemeinen haben meistens einen eher schlechten Ruf, Botas dagegen einen ziemlich guten. Vom Immobilien-Magazin Bellevue wurde er als "Best Property Agent" ausgezeichnet, es ist quasi der Oscar der Makler-Branche. Botas betreut im Jahr maximal sechs Grundstücke, manchmal aber auch nur drei. 2011 hat er nicht einen einzigen Verkauf vermittelt, 2012 den ersten im August. Die Verkäufer und die potenziellen Käufer wissen daher aber auch, dass er nur Objekte anbietet, die ihm als Kenner der Gegend gefallen.

Der Märchenhaus-Makler fährt nun durch das Ortsende von Tutzing. "Achtung", sagt er, "jetzt rechts schauen". Erstes Peter-Maffay-Grundstück, zweites Peter-Maffay-Grundstück, die Villa von Gloria von Thurn und Taxis, hinter dem Altenheim. Botas lobt diese Grundstücke, weil sie bescheiden sind, nicht protzig. Und weil sie etwas von dem ursprünglichen Charakter der Region bewahren.

Botas ist in Starnberg aufgewachsen, seine Mutter ist eine Adlige. Schon als Kind interessierte er sich für die Denkmäler, in denen seine Verwandtschaft lebte. Botas lernte Kunstschreiner und Restaurateur, heiratete früh, wurde Vater, arbeitete für eine Filmproduktionsfirma, schließlich brauchte eine Auszeit. Er reiste durch Brasilien, mit Rucksack, aß kaum Fleisch, trank kein Bier. Und am Ende dieser Reise wusste er, dass er Makler werden will.

Botas biegt mit seinem Wagen in die Thurn-und-Taxis-Straße ein, es geht durch seine Lieblingsgemeinde: Feldafing. Hier erklärt der Makler die Grundprinzipien der guten Lage, dabei räumt er zunächst mit einem Klischee auf: der eigene Steg - völlig überschätzt! Schon nett, ja, aber feucht, auch im Haus. Botas empfiehlt den Blick auf den See, die Alpen, die Sonne, also Hanglage. Dabei unterscheidet er noch einmal zwischen 1a- und 1b-Lage. Von der Straße aus hangaufwärts: meist 1b, da die Menschen reinschauen können, wenig Privatsphäre. Von der Straße aus hangabwärts: 1a, da niemand reinschauen kann, Privatsphäre, hinter dem eigenen Grundstück meist noch eins oder eine Wiese, dann erst wieder eine Straße.

Botas sagt: "Wenn ich sage, dass etwas gut ist, dann ist es gut. Und wenn ich sage, dass etwas zu teuer ist, dann ist es zu teuer. Aber dann ist es das trotzdem wert."

Die Sache mit dem Geld also. Botas sagt, dass er nach 20 Minuten am Telefon einschätzen kann, ob jemand wirklich Geld hat. Es gilt die Regel: Je mehr einer von seinem Vermögen erzählt, umso weniger hat er. Botas, das ist sein Ruf, steht für Diskretion. Das erwartet er auch von seinen Kunden. Deswegen verkauft er auch fast nur Grundstücke am Westufer. Weil dort alles ursprünglich ist. Weil die Menschen die Natur genießen. Weil ihr Haus bescheiden ist, dafür im Einklang mit der Umgebung. Weil sie nicht auffallen. Am Ostufer, findet Botas, sind dagegen zu viele Neureiche, die mit ihrem Vermögen angeben, mit ihrem Grundstück hervorstechen wollen. Die kein Auto fahren, sondern eine Marke.

In Pöcking hält Botas den Wagen an. Mit einem Gerät, das aussieht wie der Zünder eines Sprengsatzes, öffnet er das Tor zu einem Grundstück, zwei Fußballfelder groß; Botas hat es vor wenigen Wochen verkauft. Verwinkeltes Haus in mattem Gelb, mehrere Türmchen, separates Hallenbad, separater Flachbau, dahinter eine große Wiese. Alles total verwachsen. Botas hatte nicht viele Interessenten für das Grundstück.

Er hat nie viele Interessenten. Aber irgendwann kommt immer einer. Botas lässt ihn dann reden, stundenlang. Als er in München als Makler gearbeitet hat, traf er einmal Rudolph Mooshammer, der ihm alles erzählte, von der Mutter bis zu den lackierten Fingernägeln. Botas lässt sich die Geschichte des Käufers erzählen, dafür bietet er ihm das Grundstück, das zur Geschichte passt. Anschließend fährt der Makler mit ihm durch die Region, zeigt versteckte Schönheiten, Wanderwege, Jagdplätze, Restaurants. Nur wer versteht, wo er wohnt, schätzt das Urtypische und lässt nicht so einen grellen Neubau errichten. Auf der Straße Richtung Gut Schmalzhof dann die Frage: Krise, ob er davon etwas gespürt habe. Botas überlegt. "Nein", sagt er, "bei meinen Kunden nicht." Aktuell kosten die teuersten Grundstücke am Starnberger See knapp 20 Millionen Euro, Botas glaubt, dass sie noch teurer werden. Er weiß, dass es absurd klingt, aber er sagt: "Gerade dann finden sich Käufer."

Er fährt nun durch Starnberg, zeigt die ältesten Häuser der Stadt, trauert abgerissenen Häusern hinterher, schüttelt den Kopf bei all den kalten Bürobunkern. Er fährt aus der Altstadt heraus. Wenn er der Straße weiter folgen würde, käme Botas zum Ostufer. Er wendet.

© SZ vom 07.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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