Landleben:Arbeiten, wo andere Urlaub machen

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Das Landleben hat auch anstrengende Seiten - vor allem als Bauer, der Touristen ein entspanntes Leben ermöglicht

Von Amelie Plitt, Tutzing

Urlaub auf dem Bauernhof ist schwer angesagt bei Großstädtern, die der Hektik der Metropolen für ein paar Tage entfliehen wollen. Doch während sich die einen im Urlaub erholen, müssen andere hart arbeiten: Ein Besuch bei Familie Friesenegger in Unterzeismering zeigt, dass das Landleben jenseits des Tourismus auch seine anstrengende Seiten hat.

In der Luft liegt der Duft von Heu und Stall, die Glocken der Milchkühe bimmeln, Hühner gackern um die Wette. Ein Idyll wie im Bilderbuch: Hier in Unterzeismering leben Elisabeth und Nikolaus Friesenegger gemeinsam mit Elisabeth und Theresia, den beiden jüngsten ihrer fünf Kinder, umgeben von satten Wiesen und Wäldern auf einer Anhöhe in herrlicher Alleinlage mit Blick auf den Starnberger See. Seit mehr als 300 Jahren wird der Hansebauern-Hof schon von Familie Friesenegger bewirtschaftet: Ein Einzelgehöft mit Kuh- und Pferdestall, Maschinenhalle, Werkstatt, Silo, Wohn- und Ferienhaus, dazu 30 Hektar Land. Ein Traktor knatert übers Gelände, am Lenkrad die 13-jährige Theresia mit einem holländischen Bub, der mit seinen Eltern Urlaub auf dem Milchviehbetrieb macht. Die Friesenegger-Kinder sitzen von klein auf mit auf dem Fahrzeug. "Sobald man das Steuer gscheid in der Hand halten kann, fährt man selbst", erklärt die taffe Theresia. Toll findet sie es, wenn Gäste mit anpacken wollen: Sie zeigt ihnen im Stall, wie man eine Mistgabel benutzt oder legefrische Eier einsammelt.

"Genau dieses naturnahe, ursprüngliche und traditionsbewusste Leben suchen unsere Feriengäste", sagt Mutter Friesenegger. "Sie wollen Teil einer aktiven Landwirtschaft werden. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich, da auf vielen Höfen der Stall schon weg ist". Neben Kühen und Hühnern haben die Frieseneggers Pferde, einen Esel, Enten, Gänse, Katzen, Meerschweinchen, Ziegen, Hasen und den schwarzen Labrador "Lumpi", der freudig bellend ankommende Gäste begrüßt. Das Ehepaar hat sich mit vier Ferienwohnungen ein zweites Standbein geschaffen: "Der fallende Milchpreis macht uns ganz schön zu schaffen", sagt Nikolaus Friesenegger, "wir können noch froh sein, dass wir vor 22 Jahren mit dem Gästebetrieb begonnen haben". Er weiß: Wenn sie Ferienidyll und Familientradition auf Dauer halten wollen, müüsen sie umdenken. Erwogen wird die Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft. "Wir sind zwar schon seit 15 Jahren Extensivierer, aber für Bio-Landwirtschaft bräuchten wir einen neuen Stall". Der kostet mindestens 200 000 Euro, sagt der 50-Jährige, der im Nebenerwerb noch 25 Stunden pro Woche in der Klinik in Höhenried arbeitet.

Dass sich was ändern muss, weiß auch der älteste Sohn Nikolaus, der gerade eine Weideumzäunung erneuert. Der 28-jährige Landwirtschaftsmeister soll den Hof einmal übernehmen. Sein Arbeitstag beginnt morgens um halb fünf und endet abends um acht. Die Hofarbeiten sind klar aufgeteilte Teamaufgabe, die Kinder arbeiten in den Ferien mit. "Viele von meiner Schule gehen ins Fitnessstudio, ich hab' mein ganz privates daheim und bin den ganzen Tag an der frischen Luft", lacht die 15-jährige Elisabeth. Im Sommer herrscht Hochbetrieb, erklärt Vater Nikolaus, der gerade dem Deckstier im Stall frisches Heu bringt. 25 Kühe und 35 Jungtiere sind tagsüber auf der Weide, derzeit kümmert sich der Bauer vor allem um Heu- und Grünlandernte. "Ein Wettlauf mit der Zeit, wir sind dem Wetter komplett ausgeliefert", sagt er.

Das schönste Gefühl für den Mann mit den strahlend blauen Augen ist es, wenn die Ernte fertig und das letzte Heu im Stall untergebracht ist, nichts durch Regen kaputt gegangen und niemand zu Schaden gekommen ist. Die Familie arbeitet dort, wo andere Ferien machen. Trotz der Mühen wollen sie ihr Leben auf dem Hof mit nichts auf der Welt tauschen. Für einen eigenen Urlaub bleibt kaum Zeit, Palmen und Strand sind der Familie fremd. Die Eltern fahren ab und an mal für ein paar Tage in den Bayerischen Wald oder nach Südtirol, mehr ist nicht drin. Auch wenn die Bäuerin gern mal länger wegfahren würde - ihr persönliches Paradies ist daheim: "Ich liebe es, in der Früh die Schwalben im Stall zu beobachten und der Ruhe auf dem Hof in den Morgenstunden zu lauschen." Wenn sie es schafft, geht sie vorm Frühstück auch mal zum Schwimmen im Starnberger See. Die beiden Töchter "wollen gar nicht in Urlaub, daheim ist's am schönsten", kichern sie. Wozu verreisen? Schließlich genießen sie auch zuhause internationales Flair: "Wir hatten schon Besuch von Amerikanern, Schweizern, Italienern, Belgiern, Franzosen oder Engländern", sagt die 54-jährige Elisabeth auf dem Weg zum Gemüsebeet. Und obwohl die beiden Jüngsten noch nie weit weggefahren sind, haben sie dank der vielen Feriengäste weltweit Kontakte. Doch jetzt müssen auch sie wieder an die Arbeit: Die Mädchen wollen dem Bruder beim Weidezaun helfen.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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