Tradition:Abitreffen nach 71 Jahren

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Erinnern sich gern an alte Zeiten (v.li.): Friedrich Schutz, Liselotte Henning, Inge Pfauch, Ella Droesner, Carla Strate und Sepp Schubert. (Foto: Arlet Ulfers)

"Wir haben einfach getanzt": Sechs Senioren feiern jedes Jahr ihren Schulabschluss von 1948 in Starnberg

Von Martina Grießbacher, Starnberg

"Wir brauchten nicht viel, wir haben einfach getanzt", sagt der 89 Jahre alte Sepp Schubert aus Starnberg. 71 Jahre ist es her, dass er sein Abitur gemacht hat. Und auch wenn die Jahre nach dem Krieg nicht die besten waren - eine Party nach dem bestandenen Abitur gab es trotzdem, wie sich der Rentner erinnert. Sie fand im German Youth Actitvity Club statt - einer Art Jugendzentrum, das von den amerikanischen Soldaten seinerzeit auf dem Gelände des heutigen Münchner Yacht Clubs betrieben wurde. "Wir waren froh, dass wir das Abi geschafft haben, und glücklich, dass der Krieg vorbei war", erzählt er. Die Erinnerungen an die Schulzeit und das Abi '48 teilt er an diesem Nachmittag mit fünf ehemaligen Mitschülern. Mit den Klassenkameraden von einst feiert Schubert den Schulabschluss jedes Jahr aufs Neue - auch wenn sie dabei schon länger nicht mehr das Tanzbein schwingen.

Im Restaurant des Golf Clubs auf Gut Rieden haben sie sich diesmal getroffen, um sich an ihre Schulzeit zu erinnern: Friedrich Schutz, Liselotte Henning, Inge Pfauch, Ella Droesner, Carla Strate und Sepp Schubert besuchten gemeinsam das Gymnasium, das damals noch Oberrealschule Starnberg hieß. Die Schule war zu dieser Zeit im Gebäude der heutigen Volkshochschule nahe des Bahnhofs See untergebracht.

Zum ersten Mal zusammengekommen waren die Abiturienten von damals zum 25. Jubiläum ihres Schulabschlusses. Damals, 1973, wurde die ganze Klasse samt Lehrer zusammengetrommelt. Von da an fanden alle fünf Jahre Klassentreffen statt. Da die Runde im Laufe der Zeit jedoch immer kleiner wurde, trifft sich die Gruppe seit mittlerweile mehr als zehn Jahren jährlich.

Am Donnerstag feierten sie ihren Schulabschluss ein weiteres Mal - und schwelgten in Erinnerungen an den Juni vor 71 Jahren. Damals hatten sie ihr Abitur bestanden, innerhalb einer Woche waren zuvor sieben schriftliche Klausuren angestanden. Geprüft wurden die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Religion, Physik und Chemie sowie wahlweise Latein oder Französisch. Mündliche Prüfungen gab es nur, wenn eine der schriftlichen negativ ausgefallen war oder sich die Note zu sehr von der Leistung im jeweiligen Fach des vorherigen Schuljahrs unterschied. "Die Prüfungen schrieben wir in einer Baracke neben der Schule", erzählt Schubert, "nicht so wie heute in einer großen Turnhalle". Von den 68 Schülern des Jahrgangs schafften damals rund ein Viertel ihr Abitur nicht. "Das lag aber an den Umständen, das war kein Eigenverschulden", erinnert er sich.

Denn die Schüler mussten in den Jahren nach dem Krieg zum Teil sogar selbst dafür sorgen, dass sie überhaupt unterrichtet werden können. Das damalige Schulgebäude wurde von den Amerikanern, zu deren Besatzungszone die Region gehörte, beschlagnahmt und als eine Art Militärzentrale genutzt. Die Schule fiel zu dieser Zeit aus, die jungen Leute wurden als Arbeitskräfte gebraucht und mussten beispielsweise bei Holzarbeiten mithelfen. Monatelang gab es keinen Unterricht. Sie alle waren froh, als sie dann wieder in der Schule lernen konnten. "Es waren alle sehr interessiert, jede Schulaufgabe wurde mit dem Lehrer genau besprochen", erinnert sich Friedrich Schutz aus Starnberg. Zu den sowieso schon widrigen Umständen - Schulbücher und andere Lernmaterialien gab es in diesen Jahren praktisch nicht - kam, dass in den Wintermonaten 1946/47 die Klassenräume nicht geheizt wurden. "Wir haben dann selbst dafür gesorgt, dass der Unterricht trotzdem stattfindet", sagt Carla Strate. Jeder habe ein Holzscheit mitgebracht, mit denen dann im Ofen ein Feuer gemacht wurde, erzählt die 89-Jährige aus Herrsching. Das sind Dinge, die die Freunde, die alle noch im Landkreis leben, bis heute prägen und zusammenschweißen. "So einen Zusammenhalt gibt es bei den Abiturienten von heute nicht mehr", sagt Sepp Schubert.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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