Tierheim Starnberg:"Wir kämpfen an allen Ecken und Enden"

Lesezeit: 2 Min.

Aktuell sind im Tierheim 19 Hunde untergebracht sowie 33 Kaninchen, 35 Vögel, 30 Wildtiere und 39 Katzen - darunter auch Katzendame Modchi. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Kommunen im Landkreis Starnberg haben kürzlich die Fundtierpauschale erhöht. Seitdem hat das Tierheim deutlich mehr Geld zu Verfügung - und trotzdem reicht es nicht für alle Aufgaben.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Vor ein paar Tagen sind wieder 17 Katzen und zwei Hunde ins Starnberger Tierheim gekommen. Sie sind von der Polizei beschlagnahmt worden, wegen schlechter Haltung und Vernachlässigung. Die Tiere waren in einer Zwei-Zimmer-Wohnung untergebracht. Schon von Weitem habe man den Ammoniak-Geruch wahrnehmen können, erklärt Tierheimleiterin Tanja Wieber. Die Tiere waren krank, hatten Durchfall und Würmer.

"Es ist traurig, traurig", ergänzt Mitarbeiterin Christine Hermann. Die Tiere seien extrem ängstlich gewesen und hätten lautstark geschrien. Viele litten unter Asthma, weil die Bewohnerin stark geraucht habe. Nach Angaben der Tierschutzvereinsvorsitzenden Claudia Bläser häufen sich die Fälle, bei denen Menschen psychische Probleme hätten und aus Einsamkeit oder aus falsch verstandener Tierliebe viel zu viele Tiere bei sich aufnähmen.

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Bei einer Beschlagnahmung wird das Tierheim in aller Regel schon ein paar Tage vorher verständigt, damit man in der Quarantänestation Platz für die Neuaufnahmen schaffen kann. Wieber schätzt, dass die Tiere die Quarantänestation nach etwa drei Wochen wieder verlassen können. Denn zum Glück hätten sie meistens keine Pilzinfektionen, die würden viel länger dauern.

Die Belastung für die insgesamt 18 Mitarbeiter ist enorm. Zum einen ist das Tierheim jetzt "voll bis unters Dach", wie Bläser betont. Zum anderen werden sie von den Menschen, denen man Tiere weggenommen hat, beschimpft, bedroht, manchmal angegriffen, einmal sogar mit einem Messer. "Da ist es gut, wenn die Polizei dabei ist", sagt Wieber. Doch das zehrt an den Nerven.

Voll bis unters Dach: Einrichtungsleiterin Tanja Wieber beim Rundgang durch das Tierheim. (Foto: Arlet Ulfers)
Jürgen Sklarek, der Zweite Bürgermeister von Gauting, der selber einen Hund hat, kam beim Tag der offenen Tür auch zu Besuch. Hier besucht er Hündin Sina im Zwinger. (Foto: Arlet Ulfers)

Für das Tierheim bedeuten derartige Fälle - einmal mussten mehr als hundert Kaninchen aufgenommen werden, ein anderes Mal hundert Vögel - zudem eine enorme finanzielle Belastung. Die Behandlungskosten für den Tierarzt, der regelmäßig in die Einrichtung kommt, haben sich verdoppelt. Manchmal können sogenannte Tierpaten gewonnen werden, die wenigstens einen Teil der Kosten übernehmen. Auch Medikamente und Energie sind teurer geworden. Zudem haben sich die Personalkosten erhöht, seit der Mindestlohn angestiegen ist.

Nach monatelangen Verhandlungen haben die Kommunen kürzlich die Fundtierpauschale erhöht. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Bläser, aber die Gesamtkosten könnten damit noch lange nicht gedeckt werden.

Zu Besuch im Tierheim (von links): Anja Corbero, Claudia Bläser, Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik und Amtskollege Rainer Schnitzler aus Pöcking. (Foto: Arlet Ulfers)

Zum Tag der offenen Tür am vergangenen Samstag hatte das Tierheim Bürgermeistersprecher Rainer Schnitzler und den Starnberger Rathauschef Patrick Janik eingeladen, um über die Problematik zu informieren. Wie Bläser vorrechnet, haben sich die Einnahmen aus der Fundtierpauschale nach der Erhöhung auf nunmehr 260 000 Euro verdoppelt. Davon entfallen aber allein für den Unterhalt der Tiere, beispielsweise für Futter, 200 000 Euro. Die Kosten für das Tierheim und die Personalkosten werden extra gerechnet. Zudem machen Fundtiere lediglich 50 Prozent der Tierheimbewohner aus. Die anderen 50 Prozent sind Wild- und Abgabetiere. Diese müssen selbst finanziert werden, etwa durch Spenden.

Aktuell sind im Tierheim 19 Hunde und 39 Katzen untergebracht sowie 33 Kaninchen, 35 Vögel und 30 Wildtiere, beispielsweise verletzte Marder, Füchse, Enten, Gänse oder verwaiste Eichhörnchenbabys, die beim jüngsten Sturm aus dem Nest gefallen sind. Auch diese Zahl steigt stetig an. "Die Erhöhung der Tierarzthonorare ist spürbar", sagt Bläser. Seitdem würden viel mehr Kleintiere abgegeben, weil den Besitzern die Behandlungskosten zu teuer seien. Rund 900 Tiere nimmt das Tierheim durchschnittlich pro Jahr auf. Auch diese Zahl hat sich seit Corona erhöht. Denn viele Menschen hatten sich aus Einsamkeit Tier angeschafft, aber nicht damit gerechnet, wie hoch der Aufwand ist. Jetzt landen die Haustiere im Tierheim.

Die Instandhaltung des Tierheims muss ebenfalls aus Spenden finanziert werden. Der Altbau ist mehr als 70 Jahre alt. "Wir kämpfen an allen Ecken und Enden", sagt Hermann. Dringend notwendig ist auch ein neues Katzenhaus. Aber solange die Zufahrt nicht gesichert sei, könne keine Baugenehmigung erteilt werden, erklärte Rathauschef Janik. Die Straße müsste verbreitert werden, um die Zufahrt für Rettungsdienste zu gewährleisten. Doch der erforderliche Grund gehört der Stadt nicht. Man müsse mit dem Eigentümer verhandeln, sagte Janik, und verspricht: "Wir sind dran."

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