Theater:Viel Stille und ein wenig Licht

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Hedwig Rost spielt mit ihrer kleinsten Bühne der Welt die Weihnachtsgeschichte im Starnberger Bahnhof. (Foto: Arlet Ulfers)

Hedwig Rost spielt fünf Weihnachtsgeschichten im Starnberger Bahnhof

Von Anna-Elena Knerich, Starnberg

Es ist dunkel im Wartesaal für allerhöchste Herrschaften im alte Starnberger Bahnhof. Vor einem beleuchteten Tisch mit einer weißen Tischdecke steht Hedwig Rost und wartet, bis es ganz still ist. Denn genau für diese Zeit der Stille und des Wartens hat die Künstlerin dem Publikum fünf märchenhafte Wintergeschichten mitgebracht.

Die erste Erzählung beginnt recht irdisch mit ein paar fußballspielenden Jungen, entwickelt sich dann aber zu einer frommen Nikolaus-Geschichte: Lediglich mit einer Laterne und schwarzen Umrissen veranschaulicht Hedwig Rost diese alte holländische Geschichte auf ganz reduzierte, stille Weise. In ihrer zweiten Erzählung hingegen stellt sie eher humorvoll und mit einer Tierfabel die christlichen Werte eines friedlichen Miteinanders dar: Ob Maus, Hase, Wildschwein oder Bär, sie alle finden nacheinander in einem verlorenen Handschuh Unterschlupf vor dem kalten Schnee. Aus dem schwarzen Topfhandschuh klappt Hedwig Rost kleine Fenster auf, aus denen die papiernen Tierfiguren die Neuankömmlinge begrüßen. Dabei verleiht sie jedem Tier eine passende Stimme und Verhaltensweise: Das Wildschwein "Raubein" etwa zwängt sich unter ächzendem Gegrunze in den Handschuh - was heiteres Gelächter im Publikum auslöst.

Auch das bekannte Sterntaler-Märchen bebildert Hedwig Rost mit Papierfiguren, die sie vor mehr als 20 Jahren aus einer Kinderzeichnung ihrer Tochter ausgeschnitten und als "reiches Geschenk" empfunden habe, wie sie erklärt. Als sie mit ihrer Tochter hochschwanger war, habe sie auch die Bühnenbilder für das vierte kleine Theaterstück gebastelt - nach einer traditionellen schwedischen Zigeunergeschichte: Gottvater und Sankt Peter bitten bei einer schwangeren Frau um ein Nachtlager. Als ihre Wehen kommen, will Sankt Peter eine Hebamme holen - doch irgendwie geht alles schief, und als er endlich zurückkommt, ist das Kind bereits geboren. Gar allzu menschlich belauschen Gott und Petrus vom Dachboden aus, wie drei Schicksalsfrauen das Kind verwünschen, es solle an seinem 20. Geburtstag heiraten und ertrinken. Ein Fluch, gegen den sogar der bärtige Gottvater zunächst hilflos ist - doch als der Knabe bei seiner Hochzeit tatsächlich an einem Wassertropfen stirbt, kann Gott doch noch ein Wunder bewirken und erweckt ihn wieder zum Leben. Szene für Szene zieht die Künstlerin dabei Scherenschnitt-ähnliche Bühnenbilder aus einer kleinen Guckkasten-Bühne und lässt diese ungewöhnliche Geschichte lebendig werden.

Während der letzten Erzählung wird es noch dunkler im Saal. Die Künstlerin hält eine Laterne hinter transparente Bilder und nimmt die Zuschauer mit ins Heilige Land: Sie erzählt von einem glühenden Himmel, hellen Lichtern und blühenden Blumen - wieder eine ungewöhnliche, aber umso verzauberndere Geschichte über das Wunder der Jesusgeburt.

Eigentlich ist sie Musikerin, dennoch verzichtet Hedwig Rost dieses Mal auf ihre Geige und setzt bewusst und hoch konzentriert auf Stille: Obwohl die meisten Zuschauer Kinder sind, schafft sie es mit ihrer bloßen Stimme, einer Laterne und den transparenten Bildern, Jung und Alt in ihren Bann zu ziehen.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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