Tassilo:Kompromisslose Theatermacher

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Die Inszenierungen der Starnberger Gruppe "Tragaudion" zeichnen sich durch künstlerischen Anspruch aus. Mehr als 100 Akteure gehörten im Lauf der Jahre zu dem Ensemble, darunter Lichtdesigner Urs Schönebaum und Schauspielerin Johanna Klante

Von Katja Sebald, Starnberg

Erst wurde die geplante Aufführung von Brechts "Mutter Courage" immer wieder verschoben, im Sommer musste dann auch das als coronataugliche Alternative geplante Freilufttheater im Starnberger Schlossgarten abgesagt werden: "Verlorene Liebesmüh", so der passende Titel des Stücks von William Shakespeare. Wegen der Pandemie konnte auch die Starnberger Theatergruppe "Tragaudion" im vergangenen Jahr nicht spielen. Ein paar Tausend Euro hatte das Ensemble bereits in beide Produktionen gesteckt, nun hofft es, diese zwei Stücke in diesem Jahr auf die Bühne bringen zu können. Natürlich geht es auch um Geld, vor allem aber geht es bei "Tragaudion" um Herzblut und sehr viel Leidenschaft fürs Theater.

Mit einer Open-Air-Aufführung von Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" im Schlossgarten hatte 1993 die Erfolgsgeschichte des Ensembles begonnen, das aus einer Theatergruppe am Starnberger Gymnasium hervorgegangen war. Einige Abiturienten waren von ihrer Deutschlehrerin Heidi Altmann so nachhaltig mit dem Theatervirus infiziert worden, dass sie auch nach dem Ende der Schulzeit weiterspielen wollten und deshalb einen Verein gründeten, dessen Name Programm ist: eine Kombination aus Tragödie und Gaudi. Knapp drei Jahrzehnte später kann "Tragaudion" auf zahlreiche Inszenierungen von Klassikern und Gegenwartsdramen, Lesungen, Musiktheater und immerhin drei Uraufführungen an verschiedensten Spielorten im Fünfseenland und in München zurückblicken.

Die ideale Kulisse: "Tragaudion" spielt im Starnberger Schlossgarten den "Hamlet". (Foto: Wolfgang Stahl/oh)

Schauspieler, Regisseure, Musiker, bildende Künstler, Autoren, Dramaturgen und Filmemacher sind aus den theaterbegeisterten Schülern hervorgegangen, andere sind neben ihrem eigentlichen Beruf nach wie vor aus purer Begeisterung dabei oder erst im Lauf der Jahre dazugekommen. Eine neue Generation der Theaterbegeisterten rückt bereits nach.

Was "Tragaudion" von einer Laienspielgruppe unterscheidet, ist vor allem der künstlerische Anspruch, bestmögliches Theater zu machen. "Diese Kompromisslosigkeit hat im Lauf der Jahre immer wieder zu Enttäuschungen und auch Reibungen geführt", gibt Vereinsvorstand Jan Björn Potthast unumwunden zu. Der SZ-Kritiker Egbert Tholl bezeichnete die Truppe einmal als einen "in Teilen semiprofessionellen Haufen ganz großer Theaterenthusiasten" und bekannte im selben Atemzug, dass er selbst zwei Sommer lang bei "Tragaudion" mitgespielt habe - in verschiedenen Stücken, aber beide Male im selben Kostüm. Die Erklärung für "semiprofessionell" lieferte er gleich mit: Das Kostüm sei auch deshalb so schön gewesen, weil es derjenige beleuchtet habe, der später zum Leiter der Beleuchtungsabteilung der Münchner Kammerspiele aufsteigen sollte. Gemeint war Christian Schweig. Weitere prominente "Tragaudion"-Mitstreiter waren der längst international gefragte Lichtdesigner Urs Schönebaum, der Musiker Robert Probst und der Musikwissenschaftler Christian Lehmann, oder die Schauspielerin Johanna Klante. Insgesamt waren im Lauf der Jahre mehr als hundert Mitwirkende am Gelingen der Aufführungen beteiligt, schätzt Potthast.

Neben den ebenso bezaubernden wie originellen, meist als Stationentheater angelegten Shakespeare-Inszenierungen im Starnberger Schlossgarten, der als Lustgarten aus der Renaissancezeit eine geradezu perfekte Kulisse bietet, wagte sich "Tragaudion" immer wieder an höchst aufwendige und nicht selten auch experimentelle Projekte. 1996 brachte man mit etwa 30 Schauspielern in der alten Feldafinger Turnhalle "Merlin" von Tankred Dorst auf die Bühne. 1998 folgte am selben Ort die Uraufführung von "Demetrius oder Die Bluthochzeit zu Moskau" von Friedrich Schiller. 2004 spielte man in der "Antikhalle" am Ostbahnhof den "Cyrano de Bergerac", 2009 in Starnberg den "Zerbrochenen Krug" und 2015 "Einer flog über das Kuckucksnest" von Dale Wasserman. Im Jahr 2018 gab es mit der "Hexenjagd" von Arthur Miller und dem "Hamlet" im Schlossgarten Starnberg gleich zwei Produktionen, 2019 wurde in München und in Starnberg "Humboldt & Humboldt" und "Gift" von Lot Vekemans gespielt.

Ende gut, alles gut: Mitglieder der Starnberger Theatergruppe nach einer Aufführung des "Sommernachtstraums" im Jahr 2016. (Foto: Wolfgang Stahl)

"Wenn Sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den SZ-Kulturpreis vorschlagen wollen, schreiben Sie bitte bis 30. April eine E-Mail an tassilo@sz.de."

© SZ vom 08.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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