Entspannt schlendert der 17-Jährige Kaspar Virnekäs mit seinem 18-jährigen Freund Tom Tewes vom Starnberger Bahnhof über die Promenade am See. Raus aus der S-Bahn, geht es am See nach links, wo sie mehrere Hundert Meter das Ufer zu ihrer Rechten halten, bis sie vor einem kleinen Metalltor stehen, das sich in eine üppige Hecke schmiegt - ein Drücken auf den Summer und zwei behutsame Tritte gegen das eiserne Gitter später stehen sie in ihrem zweitem Wohnzimmer: dem Münchner Ruder-Club.
Vor fünf Jahren hat es sie zum ersten Mal hierher verschlagen. Damals noch als Neulinge, die im Rahmen eines dreitägigen Schulprojekts erste Erfahrungen im Ruderboot sammelten. "Während die Anderen an Seifenkisten und Videos herumbastelten waren wir am See beim Baden - das war schon ein ziemlich attraktiver Einstieg in den Sport", erzählt Tom. Heute sind sie mindestens zwei Köpfe größer, haben ihr Abitur am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting gemacht und sind amtierende Deutsche Meister im Achter.
Doch mit diesem Erfolgen geben sich die Beiden noch nicht zufrieden, denn sie wollen sich auch noch direkt für die Juniorenweltmeisterschaft in ihrer Lieblingsdisziplin, dem Zweier ohne Steuermann, qualifizieren. "Im Achter kann man theoretisch einen schlechten reinsetzen und trotzdem gewinnen. Da ist die Leistung der einzelnen Athleten nicht direkt nachvollziehbar - im Zweier müssen beide liefern, sonst hat man keine Chance", erklärt Kaspar ihre Vorliebe für das kleinere Boot. Außerdem sei eine saubere Technik beim Zweier besonders wichtig, da das Boot einen schmaleren Rumpf hat und deutlich wackliger im Wasser liegt. In der Technik sieht Kaspar auch ihre größte Stärke: "Wir sind ja beide nicht unbedingt die Muskulösesten, aber durch unsere überlegene Technik können wir unseren Gegnern immer wieder die entscheidenden Meter abnehmen", erklärt er. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Erst vor Kurzem haben sie die Ranglistenregatta in Hamburg gewonnen, wodurch sie in der engeren Auswahl für einen Startplatz der Zweier bei der Weltmeisterschaft stehen. Um auf Nummer sicher zu gehen, möchten sie sich aber bei der Deutschen Meisterschaft direkt qualifizieren, denn wer da gewinnt, fährt in derselben Bootsklasse zur Weltmeisterschaft. Dabei spricht bei der Deutschen Meisterschaft, die am kommenden Wochenende in Brandenburg stattfindet, eigentlich alles für das Gautinger Duo. Von den Booten, die bei der Ranglistenregatta in Hamburg noch die Plätze zwei bis fünf belegten, startet keines bei der deutschen Meisterschaft. Trotz der guten Vorzeichen, "nehmen wir das Rennen natürlich ernst und versuchen eine gute Leistung abzuliefern," versichert Tom. Um auf einem solchen Niveau zu rudern, trainieren die Beiden seit Jahren hingebungsvoll: Insgesamt acht Einheiten pro Woche. Um das zu schaffen mussten während der Schulzeit auch einige Abstriche gemacht werden. "Entweder man lernt in der kurzen Zeit zwischen Schule und Training, oder man unternimmt halt was mit der Freundin", erklärt Kaspar mit einem schelmischen Grinsen, das seine diesbezügliche Routine nahelegt.
Jetzt, nach bestandenem Abitur, werden Kaspar und Tom wohl dem Beispiel vieler Ruderer folgen und ein Studium in München aufnehmen - Kaspar interessiert sich für Biologie, Tom für Ingenieur-wissenschaften. Gut möglich, dass die Studiendauer etwas über die Regelstudienzeit hinaus gehen wird, denn beide wollen weiter hochleistungsorientiert Rudern - ihr erklärtes Ziel: Olympia 2024 in Paris. Bei solch hehren Zielen werden ihnen ihre Eltern die längere Studienzeit aber gewiss nachsehen.