Stehpaddeln:Das Aloha-Gefühl

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Beim Stehpaddeln auf dem Starnberger See kann man den Alltag und die überfüllte Liegewiese am Ufer hinter sich lassen. Das SUP-pen hat sich von einer Randsportart zum regelrechten Sommer-Trend entwickelt

Von Otto Fritscher, Starnberg

Vor ein paar Jahren waren Stehpaddler noch Exoten, die sowohl von Windsurfern als auch von Kajakfahrern belächelt wurden. Warum sollten wir paddeln, wenn uns der Wind antreibt, sagten sich die einen, und die anderen wunderten sich, warum man auf einem wackeligen Brett stehen soll, wo man doch in einem Kajak oder Kanu viel besser sitzen kann.

Inzwischen hat sich die einstige Randsportart zu einem veritablen Trend ausgewachsen, wie man an den diversen Verleihstationen rund um Starnberger See und Ammersee sehen kann. Zu den Pionieren im Fünfseenland gehört ohne Zweifel Eliane Droemer, die vor vier Jahren mit einer mobilen SUP-Station in Tutzing begonnen hat. Mehr als ein Jahr lang suchte sie dann nach einem festen Standort, um die Boards nicht mehr jeden Tag mit ihrem Kombi an den See karren zu müssen. Im Starnberger Strandbad wurde sie fündig. "Ideal", sagt sie. Eigentlich müsste es hier ein lockerer Job sein: in der Sonne am See sitzen und warten, bis die Kundschaft hereinschneit und etwa nach dem Wal fragt.

Der Wal, das muss nicht immer ein Dickfisch sein, in diesem Fall ist es sozusagen ein Dickschiff, ein Board, das breiter ist als gewöhnliche Bretter und speziell fürs Yoga entwickelt ist. "Der Wal ist viel weniger kippelig als andere", sagt Droemer. Auch bei ihr haben sich spezielle SUP-Spielarten längst etabliert, geradeaus paddeln ist vielen schon zu langweilig. Mindestens einmal in der Woche turnen vor allem Frauen auf Bretter herum, und was auf der Yogamatte einfach ist wie der Sonnengruß etwa, wird auf wackeligen Untergrund zu einer anstrengenden Übung, die schon mal mit einem unfreiwilligen Abgang ins Wasser enden kann. "Stehpaddeln, das ist aber nicht nur was für Sportliche, das kann jeder, der Schwimmen und Stehen kann", sagt Eliane Droemer und lacht.

Rauf aufs Brett und raus auf den See: Beim Stehpaddeln fängt man erst mal im Knien an. Das Aufstehen ist das erste Wagnis auf den Wellen. (Foto: Arlet Ulfers)

Dass Kinder ganz unbeschwert auf die Bretter klettern, zeigen an diesem sonnigen Montagnachmittag die Teilnehmer der TSV-Summer Challenge, eines Ferienprogramms, das der TSV Starnberg anbietet. Mit großem Geschrei geht es hinaus auf den See. Für ältere Semester bietet Droemer "SUP Balance ab 60" an, und dass dies funktioniert, dafür ist die Co-Trainerin Elisabeth mit ihren 79 Jahren der lebende Beweis. Nur fürs Krafttraining auf dem Board, das Sebastian Groß anbietet, haben sich noch keine Interessenten gefunden.

Bretter, das war schon immer die Welt von Eliane Droemer. Nicht die Bühne, sondern Snowboards hatten es der quicken Tutzingerin angetan, der man die 43 Jahre nicht ansieht. So war es ein logischer Weg, mit dem Brett vom Schnee aufs Wasser zu wechseln. Außerdem macht sie PR und Marketing für Starboard, einen Hersteller von SUP-Brettern, und arbeitet an einer SUP-Zeitschrift mit.

Von einem ruhigen Sommer-Job am See kann indes nicht die Rede sein, mehr als 1000 "Supper" hat Droemer in dieser wechselhaften Saison schon gehabt. Alle paar Minuten kommen heute vor allem Frauen, oft mit ihren Töchtern, vorbei, die für ein Stündchen der Enge auf der Liegewiese im Strandbad entfliehen wollen, Ruhe auf den Weiten des Sees suchen. Doch die 15 Bretter sind alle belegt oder reserviert, sodass die Möchte-Gern-Paddler wieder abziehen müssen. Droemer gibt eine Einweisung nach der anderen, ohne die darf niemand aufs Wasser. Es kommen mehrere angemeldete Gruppen, Cliquen oder auch Junggesellinnen-Abschiede, die mit Prosecco auf dem Wasser statt in einer Bar gefeiert werden. Heute sind es fünf Mädels aus München, von denen eines Geburtstag feiert und sofort von Eliane Droemer eine Blumen-Kette à la Hawaii umgehängt bekommt - für das richtige Aloha-Gefühl auf dem Starnberger See. Die letzte Gruppe, die Sonne steht schon tief, sind ein paar Versicherungsleute, die sich gar eine eigene Trainerin mitgebracht haben. Es dämmert schon ein wenig, als Droemer die Boards zurück in das Gestell hievt, eines nach dem anderen, was einige Kilo Gewichtheben bedeutet. Morgen soll es wieder sonnig werden, und Droemer oder einer ihrer Mitarbeiter wird am Vormittag wieder zur Stelle sein.

Eliane Droemer (li.) führt die Stehpaddel-Station im Strandbad. (Foto: Arlet Ulfers)

Was ist das Nervigste an ihrem Open-Air-Job? Da muss Droemer nicht lange überlegen. "Manche sind gar nicht mehr entspannt und lässig, wenn das reservierte Board noch draußen auf dem See und nicht ganz pünktlich wieder da ist. Die regen sich dann richtig auf, das ist eben typisch deutsch." Aber auch dagegen hat sich Droemer etwas einfallen lassen. Sie hat einige wasserdichte Uhren angeschafft, gegen Pfand kann man sich eine ausleihen. Damit niemand mehr zu spät zurück an Land paddelt.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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