Stadtrats-Wahl:Tunnel-Freunde verlieren Mehrheit

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Bei der Stadtratswahl kehren sich die Kräfteverhältnisse um. Die Allianz der Umfahrungs-Befürworter legt nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen um zwei Mandate zu und hat damit das Sagen im Gremium. Das Ergebnis scheint bislang unstrittig zu sein, nur eine Handvoll Stimmen wird überprüft.

Von Peter Haacke und Manuela Warkocz, Starnberg

Um 0:23 Uhr brandete Freudenjubel und Applaus in der Schlossberghalle auf, als das vorläufige Endergebnis der Starnberger Stadtratswahlen nach Auszählung aller 29 Stimmbezirke endlich feststand: Im 30-köpfigen Gremium haben BMS, CSU und WPS jeweils sechs Mandate erobert, Grüne sowie UWG erzielten jeweils drei Sitze, SPD, FDP und BLS sicherten sich jeweils zwei Mandate.

Damit haben sich die Kräfteverhältnisse in Starnbergs höchstem politischen Gremium umgekehrt: Die Allianz der Umfahrungsbefürworter aus BMS, WPS, FDP und BLS verfügen nunmehr über 16 Stimmen. Jener Block, der dagegen den Bau eines Tunnels anstrebt - CSU, Grüne, UWG und SPD -, hat nur noch 14 Stimmen. Von 18 400 Wahlberechtigten gaben lediglich 8981 einen gültigen Wahlzettel ab. Eher schwach war die Beteiligung in den 19 Wahllokalen: Nur 4509 Wähler gaben an dem sonnigen Frühlingstag ihren Wahlschein persönlich ab; die Wahlbeteiligung hier lag bei nur 25,66 Prozent. Überproportional hoch war dagegen diesmal der Anteil der Briefwähler (4472), die in zehn Bezirken ausgezählt wurden und die Wahlbeteiligung letztlich auf insgesamt 48,8 Prozent hochtrieben. Insgesamt 165 Stimmzettel waren ungültig.

Lange hatte es in der Wahlnacht nach einem 15:15-Patt im künftigen Stadtrat ausgesehen. Doch nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der CSU und dem BMS, die nach Auszählung der ersten Wahlbezirke beide konstant sechs Mandate hatten, schloss die WPS mit einem überraschend starken Ergebnis auf: Kurz nach Mitternacht bescherte ein außergewöhnlich hoher Stimmenanteil von 27,6 Prozent im Briefwahlbezirk VII der WPS ein sechstes Mandat, das von den Anhängern spontan bejubelt wurde. Leidtragende waren die Grünen, die damit ihren bereits sicher geglaubten vierten Sitz verloren.

Das lange Warten aufs Ergebnis erklärte Bürgermeisterin Eva John am Tag danach damit, dass "extrem viele Wähler auf den Listen Einzelstimmen verteilt haben". Das bedeutete für die Wahlhelfer viel Arbeit, zumal die Devise "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" galt. Doch das zahlte sich aus: Nur etwa eine Handvoll Stimmen wird John zufolge überprüft. Über sie entscheidet der Wahlausschuss bis 30. April. "Todmüde, aber aufgekratzt" hat John noch bis 3 Uhr früh "privat mit einem Flascherl" den Sieg ihres Bündnisses gefeiert.

Zwar haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat nur marginal geändert, doch diese Änderungen dürften weitreichende Folgen haben: Durch den Verlust von zwei Mandaten der CSU und UWG an BMS und WPS, die durch den umstrittenen Fraktionswechsel von Klaus Rieskamp zur Bürgerliste im Sommer 2014 zuletzt nur noch über fünf Stadträte verfügte, dürften die meisten Entscheidungen fortan die Handschrift der Anti-Tunnel-Allianz tragen. Insbesondere in der Starnberger Kernfrage zum Bau eines B2-Tunnels werden sich die Befürworter einer Umfahrung wohl durchsetzen - vorbehaltlich der Prüfungsergebnisse eines "Verkehrsentwicklungsplans", den John laut Stadtratsbeschluss vom Vorjahr spätestens in diesem Sommer vorlegen soll.

Danach wird eine der spannendsten Fragen sein, welche Umfahrungsvariante die Allianz im Nordosten der Stadt im Lauf der verbleibenden fünf Jahre dieser Amtsperiode realisieren will - eine der zentralen Aussagen dieses Wahlkampfs. Sollte sich etwa die sogenannte "Jann-Trasse" der Bürgerliste als ortsferne Umfahrung als nicht machbar erweisen, dürfte der Allianz die Unterstützung der BLS fortan fehlen. Doch auch in den übrigen zentralen Fragen der Starnberger Stadtpolitik, der Besetzung untergeordneter Gremien und bei der Vergabe von Referentenposten werden sich die neuen Kräfteverhältnisse auswirken. Besonders spannend dürften auch die Debatten und Entscheidungen zu den Themen Seeanbindung, Schmalzhof, Gewerbegebiet Schorn, Verkehrspolitik und Ansiedlung der Fachoberschule werden.

Dem neuen Stadtrat, der ab Mitte Mai seine Arbeit aufnehmen könnte, gehören fünf Neulinge an: Thomas Beigel (CSU), Sieglinde Loesti (WPS), Johannes Bötsch und Christine Lipovec (beide BMS) sowie Patrick Janik (UWG). Christiane Falk (SPD) hatte zwar im März 2014 den Einzug in den Stadtrat verpasst, setzte sich jetzt aber bei den Neuwahlen intern gegen den ehemaligen Bürgermeisterkandidaten Frank Hauser durch. Keinen Erfolg bei der Wahl hatten die Ex-Stadträte Hannelore Hartmann und Rudolf Zirngibl (beide CSU) sowie Otto Gaßner und Hans Beigel (beide UWG).

Frauen sind im neuen Stadtrat eher unterrepräsentiert: Neben Bürgermeisterin Eva John (BMS), die nicht zur Wahl stand, werden lediglich acht weitere Damen über die Starnberger Geschicke befinden. Am zahlreichsten sind Frauen noch bei den Grünen und der WPS (je 2) vertreten; reine "Männerclubs" sind dagegen UWG und Bürgerliste. Das Gremium ist im Durchschnitt 58 Jahre alt (alle Angaben: Stichtag 31. 12. 2015). Die jüngste Fraktion stellt die CSU mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren, die älteste die Bürgerliste (71,5). Sieben Stadträte werden zum Jahresende über 70 Jahre alt sein, darunter vier allein bei der WPS, die mit Klaus Huber (Jahrgang 1938) und Maximilian Ardelt (1940) die ältesten Mandatsträger stellt. Die jüngsten Stadträte sind Patrick Janik (39) von der UWG und Stefan Frey (40) von der CSU.

Aus dem Straßenbild soll der turbulente Wahlkampf noch im Lauf dieser Woche verschwinden - Banner und Plakate sind "baldmöglichst" abzunehmen, so die Bürgermeisterin. Einige Parteien wollen sich bei ihren Wählern freilich erst noch mit Aufkleber bedanken.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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