Starnberger Seebahnhof:Kultur für Reisende

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Auf dem Programm des Starnberger Seebahnhofs, der zu den ungewöhnlichen Spielstätten im Fünfseenland gehört, stehen reizvolle Konzerte, Theater für Kinder und Ausstellungen mit Konzept

Von Gerhard Summer, Starnberg

Wer sich zum Seebahnhof in Starnberg aufmacht, kann in Hrfntschstan landen, einem Traumland mit schwierigem Namen. Dort ist alles ziemlich wunderbar. Womöglich findet er sich auch zwischen Ganoven und dubiosen Adligen wieder und tanzt dann beim Künstlerfasching die Nacht durch. Oder er gerät in die Ausstellung "Spielfeld" und steht vor großformatigen Zeichnungen, die zeigen, wie nah diese Stadt ans Wasser gebaut hat und wie weit entfernt sie trotzdem vom See ist.

Wo einst die königliche Familie auf die Bahn oder das Dampfschiff wartete und Beamte Fahrkarten verkauften, kommen nämlich längst Schauspieler, Musiker, Autoren und Installationskünstler zum Zug. Der holzvertäfelte "Wartesaal für allerhöchste Herrschaften" und die Schalterhalle im Seebahnhof geben im Doppelpack einen reizvollen Spielort ab. Hier das Liliput-Theater, die Mini-Bühne für Lesungen, der Musiksalon mit exzellenter Akustik, dort die Haltestelle für zeitgenössische Künstler, die ihre Arbeiten in der Reihe "Nah-fern" präsentieren. Zum Konzept des Teams um Kulturamtsleiterin Annette Kienzle gehört es nämlich, auf Experimente zu setzen und jungen Künstlern eine Chance zu geben. Ihr Resümee nach sieben Jahren Programm im Wartesaal: Der Kulturbahnhof habe einen "sehr, sehr guten Ruf."

Auch der Veranstaltungskalender für das erste Halbjahr 2017, den Kienzle, ihre Mitarbeiterinnen und Bürgermeisterin Eva John nun vorstellten, hat es in sich. In Sparten wie "Theater für kleine Leut'", "Lokalspiel" oder "Zwischenhalt" bietet die Stadt Schauspiel, freche Volksmusik und elektronische Sitarklänge. Das Theater Schreiber & Post aus Dresden eröffnet den Reigen an diesem Samstag, 4. Februar, mit "Ik bün Könik", einem Märchenstück für zwei Darsteller, das mit viel Fantasie und Pantomime auskommt (15 Uhr, für Kinder ab vier Jahren). Gut zwei Wochen später steht eine "romantironische Revue" an: die Reise ins Land "Hrfntschstan", wo immer die Sonne scheint. Das Stück ist eine Coproduktion mit der Musikschule Starnberg: Neben Anna und Jurij Diez aus München stehen die beiden Lehrer Kerstin und Rupert Bopp auf der Bühne. Und es spielt die Band Redrox (19. Februar, 17 Uhr). Für die ganz Kleinen steht ein Gastspiel des Marotte Figurentheaters auf dem Plan: Das Ensemble erzählt vom Kreislauf des Lebens und davon, wie "Pinguin Pit" groß wird (25. März, 15 Uhr).

Was die Musik betrifft, so ist der Wartesaal breit aufgestellt. Mrs. Zwirbl, das mit Kontrabass ergänzte Überbleibsel des aufgelösten Quartetts Zwirbeldirn, bieten "furioses Gefiedel" und "exzessiven Gipfelabgesang", so die Eigenbeschreibung. Das Programm, das Chansons, Blues, Couplets und Jodler miteinander verbandelt, hat den schönen Titel "Dreitönig rauscht die Isar" (10. März, 19.30 Uhr).

Reiner Heidorn, bekannt auch unter seinem Künstlernamen Ragamatic, steuert Vierteltöne bei: Der Sitarspieler aus Weilheim kombiniert indische Ragas mit elektronischen Beats und Sounds (31. März, 19.30 Uhr). Ungewöhnliche Arrangements weitab von der Routine des Konzertbetriebs prägen den nächsten Abend: Die Bratscherin Hiyoli Togawa und der Percussionist Alexej Gerassimez, die bei den Starnberger Musiktagen zu Gast sind, spielen gemeinsam Werke von Bach, de Falla und Piazzolla. Wobei Gerassimez, der gelegentlich auch Bremsscheiben, Fässer und Schiffsschrauben einsetzt, auf Marimba und Vibraphon zurückgreift (1. April, 19.30 Uhr). Und wer die versöhnliche Tristesse des Tango Nuevo liebt und den modern und doch sehr harmonisch komponierenden Brasilianer Sergio Assad schätzt, ist im Mai im Wartesaal richtig: Gitarrist Jakob Wagner, Nachwuchsstar aus Wangen bei Starnberg, und die Querflötistin Rebecca Blau nehmen sich Solo- und Kammermusik von Astor Piazzolla und Assad vor. Das Konzert ist nach einem berühmten Piazzolla-Stück "Histoire du Tango" benannt (28. Mai, 11 Uhr).

Drei Ausstellungen in der Schalterhalle komplettieren das Programm. Sie heißen "Spielfeld", "Standort" und "Abstand". Heike Pillemann nimmt sich sonst der scheinbar nebensächlichen Dinge an, doch für die Ausstellung im Bahnhof hat sie extra Zeichnungen zu einem Thema angefertigt, das in Starnberg Brisanz hat: Es geht um den "Lago", den See. Frank Balve zeigt raumbezogene Installationen (10. März bis 2. April).

Auch für die "Standort"-Beschreibung ist ein ungleiches Künstlerpaar zuständig: Ekkeland Götze druckt Bodenproben der Erde mit einem von ihm selbst entwickelten Verfahren auf Papier und andere Untergründe. Dorothea Reichenbacher wiederum macht aus einer Zeichnung mit frei im Raum platzierten Objekten eine Bühne (28. April bis 21. Mai).

Ein ähnliches Konzept hat auch die Schau "Abstand": Antje Hanebeck hält in ihren Fotografien die Entstehungsgeschichte von Gebäuden fest, Max Weisthoff hat Skulpturen dabei, die er mit Fahrradschläuchen, Garn und Papier geschaffen hat und fast schon in den jeweiligen Raum hineinwachsen lässt (23. Juni bis 16. Juli).

Karten für Konzerte und Theatervorstellungen gibt es unter 08151/772-136, 772-170 oder 90600.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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