Starnberger Jugendamt:Das Ende eines Schreckgespenstes

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Landratsamt baut Berührungsängste zwischen Jugendamt und Eltern ab

Von Christiane Bracht, Starnberg

Was tun, wenn das Baby unentwegt schreit? Oder wenn der Kleine einen arg großen Trotzkopf entwickelt? Nicht selten fühlen sich Eltern nach der Geburt ihres Kindes überfordert und auch allein gelassen. Früher haben derartige Schwierigkeiten vielleicht Hebammen oder Kinderärzte mitbekommen und versucht, die Situation so gut es geht abzumildern. Doch seit fünf Jahren gibt es im Landkreis Starnberg die Koordinierende Kinderschutzstelle (Koki). "Seither muss ich nicht mehr alles allein wuppen", sagt die Starnberger Kinderärztin Gunhild Kilian-Cornell sichtlich erleichtert und auch die Inninger Hebamme Mechthild Frickenstein schätzt, die Zusammenarbeit mit anderen Stellen, die die Familien unterstützen. "Es ist gut, dass wir die Aufgabe jetzt gemeinsam tragen und schauen, wer der richtige Ansprechpartner ist", sagt sie.

Seit 2010 treffen sich Ärzte, Sozialarbeiter, Krippenleiter, Hebammen, Mitarbeiter der Schwangerenberatungsstelle und der Frühförderung, sowie Vertreter des Vereins Frauen helfen Frauen drei bis vier Mal im Jahr, um Kooperationsstrukturen zu schaffen. Als "Meilenstein bezeichnet Koki-Mitarbeiterin Charis Gulder-Schuckardt diese Treffen. Denn seit man einander persönlich kennt, ist es deutlich leichter geworden, Kontakt aufzunehmen. "Und den Eltern gibt es ein sichereres Gefühl, wenn sie die Unterstützung finden, die sie brauchen." Hauptaufgabe der Koordinationsstelle ist die Vermittlung von Hilfen, nicht die jahrelange Begleitung von Familien. Nur in ausgewählten Fällen schickt Koki für ein paar Wochen eine Hebamme oder Kinderkrankenschwester in Familien, in denen zum Beispiel Zwillinge oder ein behindertes Kind zur Welt gekommen ist. Auch wenn Eltern an einem Schreibaby zu verzweifeln drohen oder die Mutter an einer postnatalen Depression leidet, kann die Familie ein bis zwei Mal in der Woche auf Hilfe hoffen. Pro Jahr bekommt der Landkreis dafür vom Freistaat 46 000 Euro. Knapp 30 Familien haben 2014 davon profitiert.

Die neue Kooperation ist aber nicht nur für die Eltern von Vorteil, sondern vor allem auch für das Jugendamt. Dieses hat offenbar seinen Schrecken für die Bürger verloren. Vor gut fünf Jahren war es noch die Behörde, die den Eltern ihre Kinder wegnimmt, jetzt hat sich das Image um 180 Grad gewandelt. Wer Probleme hat, wendet sich sogar freiwillig an die Mitarbeiter. Grund für die neue Wahrnehmung sind vor allem die Willkommensbesuche, die das Jugendamt seit 2010 anbietet. Knapp 500 Eltern, die ihr erstes Kind bekommen haben, hat die Behörde 2014 angeschrieben, die Hälfte freute sich über einen Besuch. "So ist es uns gelungen, Zutrauen zu schaffen. Denn wer später Probleme bekommt, scheut sich nicht, bei uns nach Hilfe zu suchen", weiß Gulder-Schuckardt.

Auch wenn Koki sich bislang in erster Linie auf die Vermittlung von Ansprechpartnern konzentriert hat, soll sich der Kinderschutz nicht darin erschöpfen. Von Herbst an will die Koordinationsstelle auch Kurse anbieten, um verunsicherten Müttern und Vätern das nötige Wissen rund um Geburt und erstes Lebensjahr zu vermitteln. Viele Eltern beklagen nämlich, dass sie auf alles im Leben vorbereitet werden, nur auf ihre Rolle als Erzieher nicht. Früher sei eine solche Vorbereitung nicht nötig gewesen, die Mütter hätten intuitiv gehandelt.

Doch heute sei das Kinderkriegen zum Projekt geworden. Knapp 3300 Babys und Kleinkinder bis drei Jahre leben im Fünfseenland, die meisten in Gilching und Starnberg. Aus diesem Grund sollen die Kurse auch dort stattfinden. Thema werden vor allem die grundlegenden Bedürfnisse der Babys sein. Außerdem soll verunsicherten Eltern in einem weiteren Kurs beigebracht werden, wie man einen gute Bindung zu seinem Kind aufbaut. Interessierte können sich jetzt schon anmelden. Die Teilnahme kostet aber voraussichtlich um die 80 Euro pro Monat. Konzipiert wurde der Kurs vom Bindungsexperten der Haunerschen Kinderklinik, Professor Karl-Heinz Brisch.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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