Starnberg:Zwist und Zerrissenheit

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Bauernverband und Milchviehhalter sind sich im Ringen um Agrarförderungen uneins wie selten zuvor

Von armin greune, Starnberg

Um 20 Prozent sind die durchschnittlichen Gewinne der Bauern im vergangenen Jahr zurückgegangen. Die Erlöse für Schweine sind seit Herbst 2015 eingebrochen, der Getreidepreis ist auch nicht mehr was er war und die Milchpreise sind schon lange im Keller: Neun von 123 Landwirten haben im vergangenen Jahr die Milchviehhaltung im Landkreis Starnberg aufgeben. Vor diesem Hintergrund sollte man annehmen, der Berufsstand bündelt alle Kräfte, um die Lage zu verbessern. Doch die Realität sieht auch im Fünfseenland ganz anders aus.

Die Kreisverbände des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und des Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) hatten in der Vorwoche zu Mitglieder-und Infoveranstaltungen eingeladen. Die einen in Drößling, die anderen in Hochstadt. Fünf Kilometer voneinander entfernt sprachen bei den einen Vertreter des Veterinäramts und BBV-Kreisgeschäftsführer Thomas Müller vor rund 50 Zuhörern, bei den anderen folgten 30 dem Referat des BDM-Beiratsvorsitzenden Johannes Pfaller zur "Milchkrise 2015-20.. - wo führt der Weg hin?" Auch wenn BBV-Kreisobmann Georg Zanker die Überschneidung als "Missverständnis" bezeichnet, ist sie geradezu symptomatisch für die Zerstrittenheit des Bauernstands. Einig ist man nur im Jammern. Zanker findet die Terminwahl zwar "ein bisschen unglücklich", bestätigt aber den Zwist: "Die vom BDM wären ohnehin nicht gekommen". Die meisten seien aus dem BBV ausgetreten und erhielten auch keine Einladung mehr. Müller, ganz akademischer Agraringenieur, sagt, die parallelen Veranstaltungen seien "einer gewissen terminlichen Dichte geschuldet". Er räumt ein, der BDM habe den Termin seiner Jahresversammlung bereits im Dezember im Kreisberatungsausschuss mitgeteilt. Die BBV-Veranstaltung habe sich wegen der Verfügbarkeit der Referenten "relativ kurzfristig ergeben". Zanker meint sich zu erinnern, der BDM habe sich zunächst nicht festgelegt und dann den 16. oder 23. Februar als Versammlungstermin angegeben.

Wie auch immer: BDM-Kreisvorsitzender Michael Friedinger ist "ein bisserl enttäuscht, dass die Terminabsprache nicht eingehalten worden ist". Von der BBV-Versammlung habe er erst Dienstagmittag erfahren. Im Referat habe Pfaller die Gründe für die aktuelle Milchkrise erläutert und den Lösungsvorschlag des BDM vorgestellt: Dessen Krisenmanagement fordert von der Politik gesetzliche Regelungen für Deckelung und Rückführung der Überproduktion. Dazu sollen Anreize zur Reduzierung der Milchanlieferung, aber auch eine allgemein verbindliche, befristete Rücknahme der Produktion aller Milchviehhalter beitragen. Notfalls müsse der Staat intervenieren, um einen Zusammenbruch des Markts zu verhindern. Friedinger: "Wir haben ein Konzept. Die Anderen haben keins, machen unseres aber schlecht."

Dass der Ruf nach staatlicher Regulierung bei vielen Landwirten auf Skepsis trifft, ist verständlich: Er rüttelt an den Grundfesten bäuerlichen Selbstverständnisses. Die Furcht vor Bevormundung ist fast schon genetisch bedingt und hat ihre Wurzeln in Jahrhunderten der Leibeigenschaft. Tatsächlich aber kommt heute kein Landwirt mehr ohne Betriebsprämie, Zuschüsse für Landschaftspflege und andere Subventionen aus. Müller etwa beobachtet ein "Hauen und Stechen um die Agrarförderung". Die Regenten haben sich vom Ausbeuter zum Förderer entwickelt. Aber im Staat einen echten Freund zu sehen, fällt weiten Teile der bayerischen Bauernschaft noch immer schwer.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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