Starnberg:Zu viele Zweifel für eine Strafe

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Angebliche Vergewaltigung ist nach Jahren nicht nachzuweisen

Von Armin greune, Starnberg

Es kommt selten vor, dass ein Gericht einräumt, mit der Entscheidung über Schuld oder Unschuld überfordert zu sein. Im Fall der angeblichen Vergewaltigung eines seinerzeit 16 Jahre alten Mädchens, der erst acht Jahre nach der vermeintlichen Tat am Starnberger Schöffengericht verhandelt wurde, verlor sich die Wahrheit jedoch in einer Grauzone. "Auch wir konnten uns keine feste Meinung bilden", sagte der Vorsitzende Richter Ralf Jehle schließlich zur Begründung des Urteils. Doch sei man "schlicht und ergreifend an Verfahrensregeln gebunden". Und die besagen nun mal, dass ein Angeklagter freizusprechen ist, wenn nicht alle Zweifel an seiner Schuld beseitigt werden können.

Die heute 24-jährige Frau hatte angegeben, vom mittlerweile 26-jährigen Angeklagten im Juli 2007 in einer Starnberger Wohnung zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden zu sein. Beide bestätigten, dass sie einmal zuvor miteinander im Bett gewesen waren. Den Angaben des Beschuldigten nach habe es sich auch bei der zweiten intimen Begegnung im Zimmer eines Freundes um einvernehmlichen Sex gehandelt. Auf jeden Fall fand der Akt ein abruptes Ende, als die Mutter des Freundes ins Zimmer trat, empört aufschrie und mit einem Pantoffel auf das Paar losging. Wie die heute 51-jährige Mutter sah auch der Sohn, der nach ihr ins Zimmer trat, keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen: "Für mich war das in dem Moment sehr lustig", sagte der 29-Jährige aus.

Im Gegensatz dazu standen Angaben der besten Freundin der 24-Jährigen: Nachdem die 51-Jährige das Paar vor die Tür gesetzt hatte, stand das Mädchen "völlig aufgelöst und total verheult vor meiner Tür", berichtete sie dem Gericht. Als die Weinende erklärte, dass sie vergewaltigt worden sei, riet ihr die Freundin, sich untersuchen zu lassen und Anzeige zu erstatten. "Aber sie hat sich geschämt und hatte Angst", sagte die Zeugin. Das mutmaßliche Opfer habe "sich lange nicht mehr auf die Straße getraut". Als sie sich dann doch zusammen auf die Seepromenade wagten, trafen sie auf die Clique des Angeklagten und die 24-Jährige wurde mit den Worten "Na, wie hat der Schuh geschmeckt?" verhöhnt.

Erst im vergangenen Dezember ging die 24-Jährige dann doch zur Polizei. Auslöser war ein Video, das ihr damaliger Freund erfunden hatte, um sie nach einem Streit zu verletzen: Die Aufnahme hätte gezeigt, dass sie den Sex mit dem angeblichen Vergewaltiger genossen habe, hatte der Starnberger damals behauptet. Auch ihm hatte die 24-Jährige von ihrer traumatischen Erfahrung erzählt. Doch die Aussagen von Ex-Freund und Freundin reichten für das Gericht nicht aus: Nach acht Jahren habe das mutmaßliche Opfer die angebliche Vergewaltigung "nicht wirklich nachvollziehbar herüberbringen können", sagte Jehle. Insbesondere die Schilderung der 51-Jährigen, die das Paar völlig nackt angetroffen hatte, erschütterte die Glaubwürdigkeit: Die 24-Jährige hatte ausgesagt, der Angeklagte habe ihr nur die Hose vom Leib gezerrt - von diesem Detail hatte die 51-Jährige keine Kenntnis. Bereits der Staatsanwalt hatte angesichts der Beweislage auf "Freispruch zweiter Klasse" plädiert. Er machte aber klar, dass er der 24-Jährigen glaube: Einer eventuellen Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung werde er daher nicht nachgehen.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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