Starnberg:Zart zum Hardrock

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Aus dem Vollen geschöpft: Geiger Adam Bałdych beim Auftritt in der Starnberger Jazz-Reihe. (Foto: Arlet Ulfers)

Stargeiger Adam Bałdych mit Band in der Schlossberghalle

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Die Konsistenz dieses Ensembles rührt nicht nur daher, dass die Musiker derselben Jazztradition entstammen. Die vier Polen um den Stargeiger Adam Bałdych, 30, studierten obendrein gemeinsam an der Musikakademie im Oberschlesischen Katowice. Bałdych sowie Paweł Tomaszewski (Klavier), Michał Kapczuk (Kontrabass) und Paweł Dobrowolski (Schlagzeug), zusammen das Adam Bałdych Imaginary Quartet, bekennen sich zudem klar zu ihrer slawischen Mentalität und Seele.

Das mag etwas abgedroschen klingen, aber de facto ist viel davon für die einzigartige Musik dieses Ensembles verantwortlich. Die tiefe Melancholie mit Neigung zur Schönmelodik und einer Prise polnischer Folklore machen Bałdychs Stücke imaginativ. Hier werden keine Jazzstücke gespielt, sondern sehr inspiriert Geschichten mit sagenhaftem Inhalt erzählt. Und das fesselte die Zuhörer im Konzert der Reihe "All that Jazz Starnberg" in der Schlossberghalle.

Alleine das Instrument macht Bałdych schon zu einer zentralen Figur. Doch der experimentierfreudige Geiger erhöhte sich in der Sound-Aussteuerung keinesfalls deutlich über seine Mitspieler. Kein Violinkonzert mit Begleitung also, sondern eine gemeinsame Sache der Band, die auch aus herausragenden Musikern besteht: Allesamt haben sie bemerkenswerte internationale Referenzen vorzuweisen. Und das ist insofern wichtig, als Bałdychs Kompositionen im besonderen Maß klangorientiert sind und gerade auch aus den diversen Mixturen ihren Reiz schöpfen. Die in Starnberg vorgetragenen Legenden stammen großenteils von den letzten CDs. So profitierte das Konzert immer noch von der Frische und Spontanität des Neuen.

Bei Bałdych wird es immer dann besonders spannend, wenn er klangexperimentell vorgeht, wenn sich die musikalischen Bilder aus Geräuschen entwickeln. Meist weit entrückt aus einem klanglosen Rauschen des Streichbogens auf abgedämpften Saiten, das allmählich einen zarten Oberton hervorbringt. Oder: Wirres Herumtapsen auf den Saiten lässt zwischendurch ein paar Töne tröpfeln. Ins Gestrichene mischen sich vorsichtig Flageolett-Töne, die langsam motivische Struktur zeigen. Eventuell ist die Molodie zuerst gezupft zu hören, bevor sie hervortaucht und gestrichen klare Gestalt annimmt. Spieltechnisch schöpft Bałdych dabei aus dem Vollen, lässt aber auch Zufälligkeiten zu, auf die er einfühlsam zu reagieren versteht. Die Entwicklung eines solchen Stückes ist damit noch lange nicht zu Ende. Die Verarbeitung des vorgestellten motivisch-melodischen, rhythmischen und harmonischen Materials ist nicht minder erfindungsreich und setzt auf überraschende Wendungen. Dabei wird den Zuhörern der Vortrag in voluminös flutender Substanz nicht vorenthalten, der sich bis zum singenden Hardrock aufbäumen kann und meist plötzlich abgebrochen wird, um ein leises Echo folgen zu lassen.

Kapczuk und Dobrowolski zogen sich in Starnberg als Rhythmusgruppe in den disziplinierten Begleitpart zurück, machten aber deutlich, dass der auch eine wohlklingende Qualität für sich darstellt. Es kam schon viel Farbe und Atmosphäre aus dem Hintergrund, zumal Dobrowolski mit viel Perkussionsausstattung für besondere klangliche Effekte sorgte. Tomaszewski brillierte als Bałdychs Dialogpartner und verlieht dem Konzert mit seiner spieltechnischen Meisterschaft eine eigene Note. Begeistertes Publikum und eine gut gelaunte Zugabe.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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