Starnberg:Wundersames aus der Ferne

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Ulrich Langenbach zeigt Zeichnungen, Collagen und überschriebene Fotos im Seebahnhof. (Foto: Georgine Treybal)

Fotofamilien und Gebrauchsanweisungen zum Selberdenken: Unter dem Titel "nah - fern" zeigen Ulrich Langenbach und Patrick Saringer ihre Arbeiten im historischen Seebahnhof in Starnberg

Von Katja Sebald, Starnberg

Diesmal stimmt eigentlich gar nichts. Aus dem "nah - fern" ist ein "fern - fern" geworden, denn keiner der beiden Künstler kommt aus der Nähe. Der eine Künstler versteht sich allerdings gar nicht als Künstler. Die Arbeiten des anderen sind als Installation angekündigt worden, sie sind aber - ja was eigentlich? Jemand hat es einmal so formuliert: "Mitunter genügt es, die Regeln zu ändern. Dann gelingen sogar die kniffligsten Kreuzworträtsel." Und damit ist man schon mittendrin in diesem bezaubernden Kabinett der Merkwürdigkeiten. Dass im Ausstellungstitel "Ach wie gut, dass" dann auch noch ein Komma fehlt, fällt da schon kaum mehr ins Gewicht. Ulrich Langenbach und Patrick Saringer bespielen derzeit im Auftrag der Stadt Starnberg die ehemalige Schalterhalle im historischen Bahnhof am See, kuratiert wurde die Ausstellung von Katharina Kreye, Ulrike Prusseit und Ursula Steglich-Schaupp.

Patrick Saringer ist ein Werbefotograf aus Innsbruck. In der Tiroler Kulturszene ist er relativ bekannt, wobei er selbst einschränkend sagt, dass es in Tirol eigentlich gar keine Kulturszene gibt. In Starnberg zeigt er nun nicht die sorgfältig inszenierten Hochglanzbilder, die man unter seinem Namen im Internet findet, sondern eine Serie von Schwarz-Weiß-Portraits, die abseits seiner eigentlichen Arbeit entstehen. Etwa die Hälfte von diesen Bildern wurde mit einer analogen Kamera aufgenommen, einer "richtigen", wie er sagt, die andere Hälfte digital, zuweilen auch einfach noch im Anschluss an ein Shooting für einen Auftraggeber. Als Kunst möchte der Fotograf diese Bilder nicht bezeichnen, er nennt sie "Momentaufnahmen". Alle werden im etwa gleichen Format in einem weißen Passepartout und einem schlichten schwarzen Rahmen präsentiert. Sie sind auf der Wand zu Grüppchen arrangiert, als wären sie Familienfotos. Und damit kommt man der Sache eigentlich schon sehr nahe: Patrick Saringer zeigt hier sozusagen seine Fotofamilie: Es sind Menschen, die ihm wichtig sind oder aber Menschen, die ihm beim Fotografieren einen besonderen Moment der Nähe geschenkt haben. Das gilt zum Beispiel für die beiden Aufnahmen von der Schauspielerin Julia Gschnitzer, einmal ein sehr entspanntes Lächeln und einmal eine herrliche Grimasse. Es gilt aber auch für den Vater des Fotografen, der in Gummistiefeln aus dem Garten kommend nur für einen Moment im Fotostudio stehen bleiben musste. Es gilt für einen älteren Fotografen, den er als Vorbild verehrt und der für ihn vor der Kamera posierte. Und es gilt für seine kleine Tochter, die er mal mit einer neuen Flechtfrisur und mal auf Mamas Arm, mal keck und mal wie selbstvergessen ablichtet. Die Geschichten hinter diesen Bildern kennt allerdings nur er selbst, die Porträts sollen für sich sprechen oder ihr Geheimnis bewahren.

Diese ebenso zurückhaltende wie erzählerische Bilderwand ergänzt nun Ulrich Langenbach mit seinem wundersamen Bilderkosmos. Langenbach lebt in Siegen, neben Zeichnung, Malerei und Installation entsteht auch experimentelle Musik. In Starnberg aber zeigt er hauptsächlich Papierarbeiten: Zeichnungen, Collagen, übermalte und überschriebene Fotos und Plakate oder einfach nur an die Wand gepinnte Zettel, Schmierzettel ebenso wie Denkzettel, das Ganze in einer auf höchst reizvolle Weise unfertigen Do-It-Yourself-Ästhetik. Als Einstieg bietet sich eine Auflistung von Dingen an, die man zeichnen könnte, wenn einem nichts einfällt: Sie reicht von erstens "Schwarzbrot" über zweitens "Rakete" und so weiter bis achtens "Katholiken" und endet unter 8.1 mit "Unterhose". Gemalt hat der Künstler schließlich ein Bügelbrett, das er aber vorsichtshalber beschriftet hat, sonst könnte man es durchaus mit einem Schreitvogel verwechseln. Sofern es schwarze Schreitvögel gibt. Und ein Ein-Mann-Zelt auf einer Art Frühstücksbrett.

Manche der Bildchen und Bilder sind wie hingekrakelte Poesie, andere sind Gebrauchsanweisungen zum Selberdenken und wieder andere bitterböse Kommentare zum Leben an sich. Sicher ist jedenfalls, dass den "Vortrag über nichts" ein Esel auf zwei Beinen halten wird. Sicher ist aber auch: "Die Welt ist so voller Bilder, dass jemand anders sicherlich ein anderes Bild ausgewählt hätte." Aber man kann auch einfach die Spielregeln ändern. . .

Die Ausstellung ist noch bis 21. Mai jeweils freitags, 16 bis 18 Uhr, sowie samstags und sonntags, 14 bis 18 Uhr, im historischen Bahnhof zu sehen.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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