Junge Igel:Winzlinge bitten um Quartier

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Junge Igel in den erfahrenen Händen von Wildtierpfleger Manfred Schelle. (Foto: Georgine Treybal)

Die kleinen, meist unterernährten Igel über den Winter zu bringen, erfordert Fachkenntnis und viel Einsatz

Von armin greune, Starnberg

Wenn es jetzt abends oder nachts im Laub raschelt, sind sie auf den kurzen Beinen, um sich Winterspeck anzufressen. Heuer kämpfen besonders viele kleine Igel ums Überleben: Der warme Herbst hat dazu geführt, dass viele Muttertiere häufig noch ein zweites Mal geworfen haben. Wenn die Jungen nicht rechtzeitig vor der Winterruhe genügend Reserven angesammelt haben, droht der Hunger- oder Kältetod: Tiere mit einem Gewicht unter 500 Gramm haben kaum eine Chance.

Selbst wenn man weiß, dass der Igel als ausgesprochener Kulturfolger keine bedrohte Tierart ist, fällt es schwer, ein Individuum seinem Schicksal zu überlassen. Das Tierschutzgesetz erlaubt eine Betreuung jedoch nur, wenn die Tiere tagsüber unterwegs sind, krank erscheinen oder deutlich unterernährt sind. Spätestens im nächsten Frühjahr müssen sie wieder frei gelassen werden. Sie über den Winter zu bringen, erfordert Fachkenntnis und viel Einsatz: Häufig sind sie von Parasiten befallen oder von Organ-Erkrankungen geschwächt. In den Händen von Laien verenden im Haus überwinternde Igel in der Hälfte der Fälle - und werden die Überlebenden dann im Frühjahr wieder ausgesetzt, sterben nach Untersuchungen bis zu 80 Prozent der Tiere, weil sie kein Revier finden.

Wer einem winzigen Igel helfen will, wendet sich am Besten zunächst an Experten. "Wie haben in diesem Herbst unglaublich viele Igel bekommen", sagt Johannes Stroedel, Pfleger im Starnberger Tierheim (Telefon 08151/8782). Über kurz oder lang werden sie meist an bewährte Pfleger übergeben, gerade hat eine Tierfreundin in Frieding wieder einen ganzen Schwung kleiner Igel in ihre Obhut genommen - "aber für morgen sind schon wieder sechs angekündigt", sagt Stroedel. Wer den Igeln helfen will Winterspeck anzusetzen, kann bröckeliges Katzen- oder spezielles Igelfutter und Rührei anbieten - aber keine rohen Eier oder gar Milch. Ganz kleine Tiere oder kranke Problempatienten aber gehörten in erfahrene Hände, meint Stroedel.

Manfred Schelle etwa bringt schon 50 Jahre lang kleine Igel über den Winter und gibt seine Erfahrungen gern weiter. Unter der Rufnummer 08153/4822 kann man ihn erreichen, um sich bei ihm in Hochstadt praktische Tipps zeigen zu lassen: Dieser Tage hat er wieder neun Jungtiere aufgenommen, die kleinsten wiegen bloß 120 bis 150 Gramm. Er schätzt seine Erfolgsquote auf 90 Prozent, aber bei Tieren, die länger unterkühlt waren, ist auch er machtlos. Weil Igel kein Fell haben, ist für sie Wärme besonders wichtig: Schelle deckt deshalb die Kiste draußen in der Gartenhütte nachts zu, die Tiere können sich in ein kleines Häuschen zurückziehen, das mit Stroh oder Holzwolle eingerichtet ist. Darüber hinaus sollten sie noch mehr davon in einer Ecke der Kiste zur Verfügung haben: "Sie sind auf Nestbau programmiert." Die dünne Haut der Igel hat auch Vorteile: Zecken müsse man nicht herausdrehen, sie ließen sich einfach mitsamt Kopf herausziehen. Und einen besonderen Leckerbissen für seine Pfleglinge hat Schelle auch parat: Avocados seien ebenso beliebt wie nährreich.

Wer Igeln generell helfen will, sollte ihnen im Garten möglichst viele Schlupfwinkel zum Überwintern lassen. Komposthaufen bieten sich an; Holz-, Reisig- und Laubhaufen sollte man den Winterschläfern zuliebe erst im Frühjahr beseitigen. Und wo auf Pflanzenschutzmittel verzichtet wird, finden die Tiere meist genug Insekten, Würmer und Schnecken als Nahrung. Als verhängnisvoll können sich für die neugierigen Nachtschwärmer gefüllte Recycling-Müllsäcke erweisen: Sind darin etwa Tierfutterdosen oder Sahnebecher verborgen, beißen sich die Igel durch die Plastikhülle, krabbeln hinein und werden mit dem gelben Sack abgefahren.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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