Starnberg:Wildwuchs in der Villen-Kolonie

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Starnberger Panorama. (Foto: Georgine Treybal)

Der rund 100 Jahre alte Stadtteil am Mühlberg ist in Gefahr, denn historische Bauten verschwinden, Grundstücke werden geteilt und zugebaut. Architektin empfiehlt, Leitlinien mit klar definierten Zielen zu entwickeln

Von Peter Haacke, Starnberg

Reich gesegnet mit prachtvollen Landhäusern und stolzen Villen, die den Ruf der Stadt begründen, ist Starnberg. Insbesondere die Kolonie am Mühlberg - ein gegen Ende des 19. Jahrhundert entstandenes Quartier, das sich von der Von-der Tann-Straße bis Leopoldstraße sowie von Hanfelder Straße bis zur Mühlbergstraße erstreckt - ist von üppigem Grün auf großzügig geschnittenen Grundstücken durchzogen. Die Villen-Kolonie ist aufgrund der hohen Dichte an historischer Bausubstanz von hervorragender Bedeutung fürs Stadtbild. Doch zunehmend ist der Charakter des Gebiets bedroht: Zunehmend entstehen moderne Häuser, die so gar nicht in die Landschaft zu passen scheinen, werden Grundstücke geteilt und - nach Kahlschlag des Baumbestands - bebaut. Zudem nehmen es einige Eigentümer nicht allzu genau mit Vorgaben. Die Stadt Starnberg hat für den Mühlberg nun eine städtebauliche Analyse erstellen lassen, um daraus weitere Leitlinien für die künftige Gebietsentwicklung abzuleiten und weiteren Wildwuchs zu verhindern.

Das Planungsbüro Skorka (Neuried) nahm den Mühlberg in den vergangenen Monaten genauer unter die Lupe und präsentierte am Donnerstag im Bauausschuss Ergebnisse einer Analyse, die aus stadtplanerischer Sicht eher alarmierend sind: "Es zeigen sich im Gebiet bereits einige kritische Entwicklungen", sagte Manuela Skorka, die vor einem "schleichenden Prozess" warnte. Siedlungsdruck aus München und hohe Grundstückspreise entwickelten eine starke Dynamik. Aus derzeit 35 berücksichtigten Wohneinheiten im untersuchten Gebiet zwischen Mühlbergstraße, Dr. Paulus-Weg, Mathilden- und Leopoldstraße - könnten binnen weniger Jahre 65 Wohneinheiten werden, die erhebliche Veränderungen nach sich zögen. Bislang hätten die untersuchten Gebäude nur ein bis zwei Wohnungen, moderne Häuser aber hätten bis zu sieben Einheiten.

Grundsätzlich sei zwar eine behutsame Verdichtung durch zusätzliche und auch größere Gebäude möglich, doch die dürfe "nicht mit der Gießkanne" erfolgen. Die Kunst bestehe darin, das rechte Maß bei Grundstücksteilungen zu finden, bei denen Garten- und Grünflächen verloren gehen und den Gebietscharakter verändern. Das Problem offenbare sich etwa durch parkende Autos im öffentlichen Raum - ein Phänomen, das sich bereits jetzt in der Von-der-Tann-Straße durch die benachbarte Berufsschule zeigt. Insbesondere Nebenanlagen und Grünflächen müsse man daher bei Parzellierung von Grundstücken und Baugenehmigungen im Blick behalten, sagte Skorka. "Man muss dabei auch vom Freiraum her denken." Sie empfahl dem Gremium für den Mühlberg die Entwicklung von Leitlinien, die unter Festlegung definierter Ziele den Erhalt der Gesamtwirkung des Quartiers und der Gartenbereiche zum Ziel haben. Skorka: "Man sollte versuchen, die schlimmsten städtebaulichen Sünden zu verhindern."

Im Gremium kam der Vortrag gut an. Die Architektin sprach etwa Gerd Weger (CSU) aus der Seele; gleichwohl hätte er sich diesen Vortrag "ein paar Jahre früher gewünscht". Mittlerweile habe bereits eine Entwicklung eingesetzt, die kaum noch zu stoppen sei. So berichtete Markus Mooser (WPS) von drei historischen Häusern in der Mathildenstraße, die allesamt leer stehen und voraussichtlich zum Abriss vorgesehen seien. Negativbeispiele seien auch einige eher protzig wirkende Neubauten in der Mühlbergstraße oder "eine Kiste mit Flachdach" (Mooser) in der Leopoldstraße, die im großzügigen Park einer Villa entstand. Ebenfalls in der Leopoldstraße hatte ein Hausbesitzer vor der einstigen Villa Eichthal ohne Genehmigung gleich zwei Doppelgaragen im Verbund errichtet. Ein anderer hatte ohne Genehmigung in seinem Garten einen Swimmingpool nebst Terrasse und Gartenhaus erstellt; das Landratsamt prüft derzeit die Zulässigkeit. In beiden Fällen hält das Landesamt für Denkmalschutz die Bauten für unzulässig und hat ein Verfahren eingeleitet - bislang allerdings ohne Folgen.

Auf politischer Ebene ist man sich in Stadtrat und Verwaltung bislang uneins, ob Bebauungspläne ein probates Mittel sind. Auf die Gestaltung neuer Häuser habe man ohnehin kaum Einfluss, ebenso wenig wie auf Immobilienpreise oder Zuzug, so Angelika Kammerl (Parteifreie). Ludwig Jägerhuber (CSU) outete sich "als Freund des Paragrafen 34 BauGB" und plädierte dafür, mit den Bauherren zu verhandeln. Architektin Skarka hielt dagegen: "Dann wird das Gebiet in 20 Jahren nicht mehr das Gleiche sein." Ihre Warnung zeigte aber keine Wirkung: Einen Bebauungsplan für das Gebiet, wo unter anderem der Swimmingpool entstanden war, lehnte der Ausschuss mit Stimmengleichheit ab.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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