Starnberg:Weniger Macht für die Bürgermeisterin

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Stadträte fühlen sich ausgetrickst und korrigieren nun die Geschäftsordnung

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Vorgang dürfte wohl beispiellos in Bayern sein, Starnberg wird ein weiteres Mal seinem Ruf als unberechenbare Kommune gerecht. Diesmal hat sich nicht die Bürgermeisterin, sondern der Stadtrat durchgesetzt: Nach ausführlicher Debatte beschloss das Gremium am Montag in namentlicher Abstimmung mit 21:10-Stimmen eine Änderung der Geschäftsordnung zum 1. Juli. Das kann als Misstrauensvotum gegen Rathauschefin Eva John interpretiert werden: Die neuen Regeln für Starnbergs entscheidendes politisches Gremium resultieren aus der Amtsführung Johns in den letzten Monaten. Mandatsträger fühlten sich schlecht informiert, immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt, nachdem die Bürgermeisterin eigenmächtig Entscheidungen getroffen hatte.

Für die Änderung der Geschäftsordnung votierten Stadträte aus sieben von insgesamt neun Fraktionen. Gegen den Entwurf stimmten nur WPS, FDP, drei BMS-Stadträte und die Bürgermeisterin selbst. Mittlerweile hat die WPS den Beschluss bei der Kommunalen Rechtsaufsicht als rechtswidrig moniert, weil die Neufassung der Geschäftsordnung mit Änderungsvorschlägen von Textstellen in elf Paragrafen nicht rechtzeitig vorgelegen habe. Die Verwaltung hatte den Entwurf den Stadträten gar nicht erst zukommen lassen.

"Ein Fehler", räumte Bürgermeisterin John ein, der durch die Abwesenheit des Geschäftsleitenden Beamten und "vollständige Überlastung seines Stellvertreters" zustande gekommen sei. Ohnehin wollte die Verwaltung die Auswirkungen der neuen Geschäftsordnung vorerst lediglich "darstellen und bewerten", auf "Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen Regelungen hin überprüfen" und die Angelegenheit auf die Sitzung am Montag, 25. Juli, vertagen. Dieses Ansinnen fand aber keine Mehrheit, zumal Patrick Janik (UWG) den Entwurf in Eigeninitiative noch am Wochenende allen 30 Stadträten per E-Mail hatte zukommen lassen. Eine Prüfung durch die Verwaltung wäre laut Janik eine "leicht zu leistende Arbeit" und die Priorisierung des Anliegens "eine Frage des Anstands" gewesen. Janik betonte, dass das Papier "viele Mütter und Väter habe" und eine direkte Reaktion auf die Amtsführung von John sei. Zusagen der Rathausverwaltung im Hinblick auf Bebauungsplanverfahren und Aufstellungsbeschlüsse seien nicht eingehalten worden. "Die Zusagen der Verwaltung gelten nichts", konstatierte Janik. Dass ein Bauausschuss keinen Aufstellungsbeschluss beantragen könne, sei ein "unhaltbarer, in Bayern einmaliger Zustand". Es sei höchste Zeit, "dass wir das jetzt wieder ändern".

Lang war die Liste an Kritikpunkten, die Janik mit Bezug auf die aktuelle Praxis im Starnberger Rathaus vortrug: Das Recht auf Akteneinsicht, das nun verankert wurde, Besprechungen der Fraktionsvorsitzenden, die zögerliche Behandlung von Anträgen, die beschnittenen Kompetenzen des Bauausschusses oder auch Verkehrsanordnungen, von denen man nur aus der Presse erfahren habe. "Wir haben das Gefühl, dass Sie den Stadtrat bewusst außen vor gelassen haben", sagte Janik.

Sowohl Janik als auch Christiane Falk (SPD) und Ludwig Jägerhuber (CSU) unterstellten, John habe im vergangenen Jahr gelogen, als sie im Sommer 2015 vor der Abstimmung über die Geschäftsordnung erklärt habe, es habe sich nichts geändert. Damals hatte der Stadtrat die von der Bürgermeisterin geänderte Geschäftsordnung ohne weitere Diskussion in gutem Glauben trotz erster Zweifel abgenickt.

In der Debatte untermauerten die Antragsteller ihre jeweilige Position. Martina Neubauer (Grüne) würdigte den Entwurf als "Grundlage für sachliche Arbeit", Gerd Weger (CSU) geißelte die vergangenen Monate als "Selbstkastrierung", Tim Weidner (SPD) befand, der Stadtrat solle "mehr Demokratie wagen" und Jürgen Busse (UWG) sorgte sich um die Stimmung im Stadtrat: Er empfand es als "unerträglich, dass viele in dieser Debatte nur ihre Meinung rausposaunen". Damit meinte er unter anderem Iris Ziebart (FDP), die den Antragstellern unterstellte, sie wollten mehr Sitzungsgeld haben; die Änderung der Geschäftsordnung bedeute nicht mehr Demokratie, sondern mehr Bürokratie zu Lasten der Bürger. Einige WPS- und BMS-Vertreter machten ein Informationsdefizit geltend und fühlten sich überfordert. Zwar erwärmte sich auch Günther Picker (WPS) grundsätzlich für eine Änderung der Geschäftsordnung - allerdings erst Ende Juli nach einer "synoptischen Gegenüberstellung" zu vier weiteren Versionen.

Die neue Geschäftsordnung tritt an diesem Freitag in Kraft. Gefordert bleibt aber die Rechtsaufsicht, der das beanstandete Papier bislang noch nicht vorliegt. Vor einer abschließenden Prüfung ist auch eine Stellungnahme der Stadtverwaltung erforderlich.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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