Starnberg:Weltstars und Tomatensuppe

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Dem Verein Jazz am See gelingt es immer wieder, berühmte Musiker zu engagieren, obwohl große Gagen nicht im begrenzten Etat drin sind. Vielleicht hat das mit Feldafinger Wohlfühlklima zu tun

Von Bernhard Sontheim

Der zahlende Besucher, der ins Konzert geht, das Kinofestival besucht oder das Museum, will ein Ergebnis sehen. Zu Recht. Wie viel Arbeit dahintersteckt, bis das Konzept einer Jazz- oder Klassikreihe steht, die Rockband den Auftritt zusagt und das erste Bild einer Ausstellung am Nagel hängt, interessiert ihn in dem Moment nicht. Dabei ist auch das ein Kunststück: Festivals, Musik- und Theaterreihen trotz geringer Zuschüsse über Jahre am Laufen zu halten. In der SZ-Serie "Kulturmacher" schreiben Veranstalter, wie ihnen das gelingt und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.

Die schweren Jungs der Jazzmusik stehen auf den großen Bühnen in Chicago, Los Angeles, New York, Rio und Paris. Hin und wieder schauen Stars wie Billy Cobham, Ernie Watts oder Robben Ford aber auch mal am Starnberger See vorbei und rocken eine sonst eher ruhige Region. Wir, der sechsköpfige Vorstand des Vereins Jazz am See, machen das möglich.

Aber wie? Vielleicht sind wahre Künstler doch nicht immer nur den dicken Gagen hinterher. Vielleicht kommen manche wegen des besonderen Wohlfühlklimas, das unser Verein schafft, indem er die Musiker in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Nicht umsonst fragen etliche, die bei uns gespielt haben, entweder über ihr Management oder selbst bei uns nach weiteren Terminen an.

Seit genau zwölf Jahren gibt es den Verein Jazz am See. Wie vieles fing alles klein an, heute haben wir 125 Mitglieder. Das Credo: etwa ein Konzert pro Monat in der Winterzeit (Oktober bis April). Unsere gemeinsame Idee wird von einer großen Stütze getragen: dem Ehrenamt. Statt hoher Summen potenter Sponsoren fließen Zuschüsse, Beiträge, Eintrittsgelder und Verkaufserlöse in die Kasse, was wiederum eine unschätzbare Flexibilität schafft. Nur so können wir kurzfristig planen und beispielsweise einen Offday eines Künstlers schließen - dadurch wiederum Vielfalt ins Programm zaubern: Modern Jazz, Funk, Swing und Latin. Über die Jahre entstand ein Netzwerk mit Weltstars, aber auch unbekannteren Musikern, die ihre Chance gerne wahrnehmen, im Bürgersaal des Feldafinger Rathauses zu begeistern. Im anstehenden Winterprogramm werden Chico Freeman und Larry Coryell auf unsere Bühne treten. Bei solch klangvollen Namen improvisieren wir gerne und bauen Anlagen auf und ab oder leihen uns diverse Instrumente aus, um unvergessliche Musikabende zu genießen.

Natürlich pflegen wahre Liebhaber der Jazzmusik ein eigenes Archiv. Mittlerweile dürfen wir mehr als 4000 Tonträger (LPs, CDs und DVDs) unser Eigen nennen. Viele davon sind aus privaten Sammlungen dem Verein und damit der gemeinsamen Sache gespendet worden. Es sollen Labels, Musiker und Musikrichtungen vervollständigt werden. Unsere Leidenschaft konzentriert sich auf MPS (Musik Produktion Schwarzwald), die von Mitte der Sechzigerjahre bis 1983 etwa 500 Jazz-Produktionen auf den Markt gebracht hat und das wohl bedeutendste Label Deutschlands, vielleicht sogar Europas, war. Zudem dürften wir alle Produktionen von ACT haben, dessen Label-Chef Siggi Loch mehrere Jahre in Feldafing gelebt hat und daher seinen Sitz hier bei uns hatte.

Auf unseren Lorbeeren wollen wir uns ganz und gar nicht ausruhen. Jazz ist und bleibt unsere Herzensangelegenheit. Auf der einen Seite wollen wir unser Archiv, das sich durch Überschüsse aus dem Getränkeverkauf, dem Anlagenverleih und dem Digitalisieren privater LPs finanziert, weiter ausbauen. Auf der anderen Seite arbeitet ein engagiertes Team mit Feuereifer daran, hochkarätige Konzerte anbieten zu können.

So weht immer mal wieder ein Hauch von Weltruhm durch Feldafing. Vor drei Jahren trugen sich die Superstars Jean-Paul Bourelly, der das Erbe von Jimi Hendrix weiterentwickelt, Darryl Jones (festes Mitglied der Rolling Stones) und Will Calhoun (mehrfach als weltbester Schlagzeuger ausgezeichnet) ins Goldene Buch der Gemeinde ein. Sie bilden die Combo "Stone Raiders". Nach einem umjubelten Gig im Bernrieder Sommerkeller gönnten sie sich eine Pause vom Tour-Stress, schmierten mit einer selbstgekochten Tomatensuppe ihre Stimmbänder. Eine kleine Gaumenfreude als Dankeschön für einen unvergesslichen Abend - auch das gehört zu einem Veranstaltungsort mit Herz.

Schließlich will der Verein Jazz am See auch in Zukunft dafür sorgen, dass die ganz großen Namen nicht nur in New York, Rio und Chicago spielen, sondern auch mal einen Abstecher nach Feldafing machen.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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