Starnberg:Was Frauen wirklich wollen

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Bekennende Freundin trivialer Liebesromane: Claudia Morsbach bei ihrem Vortrag in Starnberg. (Foto: Georgine Treybal)

Psychoanalytikerin Claudia Morsbach erkennt in vielen schnulzigen Liebesgeschichten der Trivialliteratur Beziehungsphantasien und geheime Sehnsüchte, die allen feministischen Bestrebungen zum Trotz die Unterwerfung der Frau als Happy End feiern

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Ich lese gerne Trivialliteratur, vor allem Liebesromane", sagt die Münchner Ärztin und Psychoanalytikerin Claudia Morsbach zu Beginn ihres Vortrags "Beziehungsphantasien im trivialen Liebesroman". Bei ihrer Arbeit höre sie so viele traurige Geschichten, dass sie abends abschalten müsse. Eine Parallele zu der Hauptfigur im Roman "Justizpalast" ihrer Schwester Petra Morsbach.

Gibt es da Schöneres als eine schnulzige Liebesgeschichte mit spannenden, dramatischen und auch schaurigen Momenten? Bedingung: Sie sollte gut ausgehen. Sie vergleicht die Lektüre mit Achterbahnfahren. Es sei klar, dass man gut ankomme, das Happy End also, der eigentliche Reiz jedoch in der Fahrt davor liege. Fakt ist, diese Romane werden überwiegend von Frauen für Frauen geschrieben. Dass sie so erfolgreich sind, hänge damit zusammen, dass sie unbewusst oder auch halbwegs bewusst mit den weiblichen Phatasien spielen und den geheimen Sehnsüchten Ausdruck verleihen. Für die Psychotherapeutin und Analytikerin sind sie auch deswegen interessant, weil sie tief ins Unterbewusste verweisen.

Morsbachs Lieblingslektüre verwundert dann doch ein wenig. Niemand aus dem Publikum beim Kulturforum Starnberg, das zu dem Vortrag eingeladen hatte, kennt die amerikanische Autorin Christine Feehan, die in den USA mit mehr als 30 Bänden über die Legende der Karpatianer überaus erfolgreich ist und auch in Deutschland sehr gute Verkaufszahlen hat. Es sind paranormale Romane, die Elemente von Fantasy-, Abenteuer-, Vampir-, Thriller- und Liebesgeschichte verbinden.

Morsbach erzählt, sie sei zufällig auf den ersten Band gestoßen und habe sofort Blut geleckt, mehr lesen wollen. Sie habe sogar bei einem Analytikerkongress in Zürich nachgeforscht, ob es weitere Übersetzungen gebe. Das Besondere für sie ist nicht nur das Vergnügen beim Lesen, sondern auch die Analyse, die Suche nach der tiefen Bedeutung der Charaktere und der gesellschaftlichen Aspekte, die man hineininterpretieren kann. Alle warten gespannt. Also: Die Karpatianer sind uralte, große und machtvolle Wesen, die sich von Menschenblut ernähren, jedoch keine Vampire sind. Im Gegenteil, die Vampire stehen für das Böse und sind die Erzfeinde.

Die Karpatianer können 2000 Jahre alt werden, doch es droht ihnen das Ende, da es kaum noch weibliche Karpatianerinnen gibt und kein Nachwuchs mehr geboren wird. Die Besonderheit: Ein Karpatianer liebt immer und ewig die eine und einzige Seelengefährtin, die ihm vorbestimmt ist. Die Suche nach ihr prägt sein Leben. Hat er sie gefunden, liebt er sie vorbehaltlos und leidenschaftlich.

Weiteres Lebenselixier ist die Jagd nach Vampiren, den ehemaligen Brüdern, angetrieben von der Angst, selbst der Dunkelheit zu verfallen. Beginnen wir mit einem der Helden, dem Proto-Karpatianer Aidan, groß, stark, mysteriös mit einer sehr dunklen Aura. Er rettet die junge schöne Alexandria und ihren kleinen Bruder vor einem Vampir. Sie ist die ihm vorbestimmte Seelenverwandte, mit der er sich verbinden wird. Sie wird nicht gefragt, sie misstraut ihm, fühlt sich bedroht, hat Angst - aber keine Wahl. Ihr Wille zählt nicht, er zwingt sie, sich ihm hinzugeben und Blut zu trinken, um Karpatianerin werden zu können. Sie unterwirft sich, wird ihm schließlich verfallen. Und sie leben glücklich und zufrieden ... Happy End!

Echt jetzt? Dass trotz aller feministischer Kämpfe die Unterwerfung der Frau als Happy End gefeiert wird, ist richtig zum Fürchten. Diese Geschichte zeigt jedoch exemplarisch dass der Traum vom starken, rettenden und bestimmenden Mann immer noch tief schlummert. Dass eine Frau sich das ausdenkt und Millionen von Frauen sich daran ergötzen, sagt uns, dass die alten Vorstellungen von deren Schwäche immer noch nicht überwunden sind. Die ödipale Sehnsucht des kleinen Mädchens nach dem starken Vater/Helden sitzt tief. Und kein Zweifel besteht an seiner Allmacht und Unfehlbarkeit. Trotzdem muss frau nicht auf die Lektüre verzichten.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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