Starnberg:Von Zwergen und Mondvögeln

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Landrat Karl Roth mit den Preisträgern Stefan Fichert, Susanne Forster, Margit Kleber, Gerd Holzheimer, Elias Wagner und der Moderatorin (v. li.). (Foto: Arlet Ulfers)

Der Landkreis vergibt seine Kulturpreise und bekommt dabei das Kunststück hin, trotz der vielen langen Reden einen heiteren bis schrägen Abend zu bieten

Von Gerhard Summer, Starnberg

Es gibt ein paar wunderbare Momente und die eine oder andere Schrecksekunde bei dieser Verleihung. Das vielleicht eindrucksvollste Bild des Abends liefert Gerd Holzheimer: Am Ende steht er mit der Vermessungslatte seines Vaters, eines Landvermessers, vor den vollbesetzten Zuhörerreihen, hinter sich die Karte des Landkreises. Sieht aus, als hätte er irgendwo einen altmodischen Schlagbaum ausgerissen.

Bemerkenswert auch das Bekenntnis des Landrats, der seine Kompetenz auf den Gebieten Literatur und Theater so begründet: Zum einen könne er lesen, sagt Karl Roth, zum anderen habe er einmal in der Volksschule bei "Schneewittchen" den kleinsten Zwerg spielen dürfen. Ja, und irgendwann, als die frühere Gautinger Bürgermeisterin Brigitte Servatius ihre Laudatio hält, gibt es einen Punkt, da man am liebsten die Zeit beschleunigen würde. Servatius' Rede kommt aus dem Herzen, klar. Aber: Sie spricht schon zehn Minuten lang und ist erst im Jahr 1979 angelangt.

So ist das nun mal an diesem Abend, da laut Roth das "Who is who von Theater, Literatur, Kultur, Politik und allen, die halt wichtig sind", im großen Sitzungssaal des Landratsamts Starnberg zusammengekommen ist, um fünf Künstler zu würdigen: Margit Katharina Kleber aus Tutzing und Elias Wagner aus Starnberg (Anerkennungs- und Förderpreis des Landkreises), außerdem die beiden Puppet Players Susanne Forster und Stefan Fichert sowie Gerd Holzheimer aus Gauting (jeweils Hauptpreis). Die Reden dauern fast zweieinhalb Stunden lang, kaum einer hält sich an die vereinbarten zehn Minuten, manchmal verrät der Laudator auch mehr über sich als über den Gegenstand seiner Betrachtung.

Zum Ausgleich gibt es witzige Einlagen. Die rothaarige Monika Drasch und Maria Reiter nehmen sich mit Flöten, Dudelsack und Akkordeon Ravels Bolero vor. Die Puppet Players bedanken sich mit einer Mini-Vorstellung samt Giraffe, Löwe und Kasperl ("das Landratsamt, das Landratsamt, war bisher mir noch unbekannt"). Wobei Erzähler Konrad Wipp, der ein wenig wie Gustl Bayrhammer aussieht und redet, schon mal darauf aufmerksam macht, dass dem Kasperl gewaltig der Magen knurrt. Der klassische Gitarrist Jakob Wagner, der Bruder des Schriftstellers Elias Wagner, spielt vor allem Roland Dyens' "Tango en Skai" und ein mit Tapping und perkussiven Elementen angereichertes Stück so fein und lässig, dass er sich gleich als Preisträger für 2016 oder 2017 empfiehlt. Und zeitweise scheint es fast so, als wollten sich Roth, der eine blau-rote Fliege trägt, und Holzheimer in ihren Lobgesängen gegenseitig überbieten: Wer dem Landrat länger zuhört, könnte den Eindruck gewinnen, dass es in diesem Landkreis nichts Wichtigeres gibt als die Kultur. Holzheimer wiederum revanchiert sich, indem er sich ausdrücklich bei allen Mitarbeiter des Landratsamts bedankt und die Behörde als "offene freundliche Institution" beschreibt. So was nennt man wohl Schulterschluss.

Man glaubt Roth auch gern, dass sich das Landratsamt viel Mühe gibt, die richtige Auswahl zu treffen. Als beispielsweise die Lehrerin Margit Katharina Kleber spricht, die für ihre ungewöhnlichen Theaterprojekte am Gymnasium Tutzing bekannt ist, spürt der Zuhörer tatsächlich etwas von ihrem Feuer. "Theater macht uns reich in der Erinnerung, Theater hinterlässt keinen Müll", sagt sie. Dem jungen Schriftsteller Elias Wagner ("Vom Liebesleben der Mondvögel") genügen ein paar Sätze, um das Publikum zu gewinnen. Er habe zeitweise gedacht, Schreiben sei etwas nicht therapierbares, sagt er unter Applaus. Der Autor Holzheimer schließlich, der Erforscher der bayerischen Seele, hat eine hübsche Anekdote auf Lager, die in Los Angeles spielt und davon handelt, dass Starnberg in aller Welt bekannt ist und Amerikaner sehr wohl die Orte "Tatzing" und "Pörcha" kennen.

Auch die Laudatoren ziehen sich in der Regel geschickt aus der Affäre. Werner Gruban vom Gautinger Bosco zum Beispiel schafft den Spagat, über seinen Freund Holzheimer zu sprechen und trotzdem witzig zu sein. Der unterhaltsamste Laudator des Abends aber ist der pensionierte Starnberger Lehrer Ernst Quester. Er spricht über das Purgatorium Schule, dem er fröhlich entkommen ist, und über die Kunst, die er einst beherrschte: eine Schneeballschlacht auf dem Pausenhof mit seinem Blick zu pazifizieren. Er kommt auf dies und das ("Aufsätze lesen war wie Trampen"), bis er erklärt: "Es wäre schön, wenn ich jetzt langsam die Kurve bekäme". Ja, das könnte sein. Aber im Grund ist es gar nicht nötig, weil Quester den jungen Elias ja nie im Fach Deutsch unterrichtet hat, also im Endeffekt gar nicht so viel über den Schüler sagen kann.

Ist das so kurzweilig, wie es der Landrat gerne hat? Ein Gesamtkunstwerk mit anschließendem Buffet? Durchaus.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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