Starnberg:Vom Wahnsinn bis zur Liebe

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Das Starnberger Kulturabo startet in die zehnte Saison und kann auf eine erfolg- und anekdotenreiche Historie zurückblicken. Erwartet werden unter anderem Hagen Rether und Simone Solga

Von Armin Greune, Starnberg

Es sei "schon ein stolzes Jubiläum" findet Annette Kienzle, Kulturamtsleiterin der Stadt: Das Starnberger Kulturabo hat sich in den vergangenen neun Jahren als großer Publikumserfolg erwiesen. Was natürlich auch am Vertriebssystem für die Karten liegt: Regelmäßig werden mehr als Dreiviertel vorab im Paket verkauft. So wird es auch heuer sein: Zunächst erhielten bis zum 18. November alle bisherigen Abonnenten Gelegenheit, für 2016 zu verlängern. Seitdem stehen noch etwa 100 Abos zum Verkauf, bis vom 11. Januar an Karten für einzelne Veranstaltungen abgegeben werden: Ein knapper Rest sei dann immer noch vorhanden, sagt Kienzle.

Simone Solga ist "im Auftrag der Kanzlerin" unterwegs. (Foto: oh)

Das für die Veranstalter gut kalkulierbare Verkaufskonzept habe sich gegenüber den Künstlern freilich auch schon als Hemmschuh erwiesen, erzählt Wolfgang Ramadan, der zusammen mit Kienzle die Veranstaltungsreihe in der Schlossberghalle betreut. Nicht wenige Musiker oder Kabarettisten seien zunächst nicht bereit, vor einem Abonnementpublikum zu spielen: "Meine Zuschauer kommen freiwillig", höre er da manchmal, sagt der Ickinger Autor und Impresario. Er kann zum Glück Synergien nutzen, weil er Kulturprogramme für weitere zwölf Orte im Oberland bis Pfaffenhofen/Ilm organisiert. Und doch braucht Ramadan manchmal eine Menge Überredungskunst, um renommierte Künstler für einen Auftritt vor den Starnberger Abo-Kunden zu gewinnen.

Beim allerersten Mal war dies allerdings nicht der Fall. Der 2009 verstorbene Jörg Hube war Ramadan ein enger Freund: Beide haben fast mal zusammen gewohnt. Am 8. März 2007 gab Hube zum Auftakt des ersten Kulturabos den legendären "Herzkasperl": "Er hat immer so lange gespielt, bis die letzten Leute gegangen sind", erinnert sich Ramadan. Und als sich der Vorhang der Schlossberghalle zum letzten Aufzug hob, stand Hube völlig nackt auf der Bühne. Mindestens zwei Mal war auch Dieter Hildebrandt in Starnberg zu Gast, bis er vor zwei Jahren starb. Gerhard Polt und diverse Formationen der umfangreichen Well-Dynastie steuerten ebenso das Ihre zu den mehr als 60 Veranstaltungen bei - aber die sind ja zum Glück noch alle am Leben: Heuer am 13. Dezember spielt die Wellbappn - also Hans Well mit seinen Sprösslingen - in der Schlossberghalle: Noch gibt es Karten! Ramadan erinnert sich, wie die Well-Brüder Anfang dieses Jahres ihr gewichtiges Instrumentarium zur Halle hoch schleppen mussten, weil ihr Laster nicht den verschneiten Schlossberg hochkam.

In der nächsten Saison werden die Brüder von ihren Schwestern vertreten: "30 Jahre Wellküren" heißt das Programm, das sie am 6. März in Starnberg präsentieren. Zum Auftakt am 16. Januar werden Quadro Nuevo ihren "Tango!" aufspielen. Ein Höhepunkt ist am 9. April zu erwarten, wenn der gefeierte Hagen Rether mit seiner immer währenden, stetig aktualisierten "Liebe" erstmals im Fünfseenland auftritt: Niemand kann wie er im charmanten Plauderton am Piano fast beiläufig Denkanstöße und gnadenlose Wahrheiten vortragen. Simone Solgas "Im Auftrag der Kanzlerin" (21. November) wiederum sei das derzeit "intelligenteste politische Kabarettprogramm deutscher Sprache", meint Ramadan - kein Wunder, dass Solga dafür den Deutschen Kabarettpreis 2014 einheimste. Und wie passend, dass daraufhin auch in Starnberg wiederum ein Preisträger von 2015 folgt: Am 3. Dezember 2016 wird der Bairisch-Diatonische Jodelwahnsinn in der Schlossberghalle erklingen, der kürzlich mit dem Deutschen Kabarett-Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Auch zum jodelwahnsinnigen Josef Brustmann hat Ramadan einen direkten Draht: Der sei nicht nur Hausgast bei seinen Veranstaltungsreihen, sondern auch Nachbar in Icking. Ramadans Favoriten aber für 2016 sind die Pantomimen Bodecker & Neander (27. Oktober): "In Berlin die ganz große Nummer, bei uns fast unbekannt - aber nach ihrem poetischen Bildertheater verlässt jeder völlig verzaubert den Saal."

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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