Starnberg:Virtuelle Transparenz im Stadtrat

Lesezeit: 2 min

Ausgerechnet die CSU, die 2013 eine öffentliche Übertragung von Sitzungen ablehnte, will nun ins Internet

Von Peter Haacke, Starnberg

Als Hort des Streits und der Missgunst hat es Starnbergs Stadtrat zu gewisser Berühmtheit gebracht. Sogar als Vorlage für sarkastisch-humorige Theaterdarbietungen dienten schon die Verbalinjurien einiger Hauptdarsteller in diesem Gremium kommunaler Selbstverwaltung, das sich nur allzu oft einig ist in seiner Uneinigkeit. Wer es nicht selbst erlebt hat, mag kaum glauben, welch unglaubliches Niveau die Debatten zuweilen erreichen. Spätestens Anfang Dezember aber wird sich der Stadtrat mit einem Antrag befassen, der im Grunde genommen die ungeteilte Zustimmung aller acht vertretenen Fraktionen finden müsste: Eine öffentliche Übertragung der Sitzungen ins Internet stellt - zumindest medial - eine Zäsur in der Starnberger Politik dar.

Fast sollte man meinen, dass Bürgermeisterin Eva John selbst den Antrag eingebracht haben könnte: Das Bündnis Mitte Starnberg (BMS) macht sich bekanntlich "stark für transparentes politisches Handeln, das eine Beteiligung Aller an den Entscheidungen über die Zukunft unserer Stadt ermöglicht". Die Idee dazu aber hatte ausgerechnet die CSU, die damit ein altes SPD-Anliegen aufwärmt.

Bereits im Februar 2013 hatten die Sozialdemokraten einen ähnlich lautenden Antrag im Stadtrat eingebracht und waren mit Stimmengleichheit gescheitert. Unter Leitung von Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger fand das Ansinnen keine Mehrheit - vor allem deshalb, weil sich die CSU mit Händen und Füßen dagegen gesträubt hatte. Doch die Idee, die in Kommunen wie Pfaffenhofen oder Passau im Kampf gegen die allgemein grassierende Politikverdrossenheit längst realisiert wurde, ist auch in Starnberg nicht totzukriegen: Sitzungen des Stadtrats sollen künftig live übertragen oder auf der Internetseite der Stadt als "Stadtrats-TV" verfolgt werden können. Bei der Union begründet man den überraschenden Schwenk mit einem Zugeständnis an den sich wandelnden Zeitgeist: "Mit zunehmendem technischen Fortschritt sollten öffentliche Stadtratssitzungen auch ohne persönliche Anwesenheit mitverfolgt werden können", heißt es im Antrag. "Übertragungen in Bild und/oder Ton stellen einen Beitrag zu mehr Transparenz und Öffentlichkeit dar." Und nicht nur das: Das Ansinnen könnte man im weiteren Sinn durchaus auch als Beitrag zu Verkehrsvermeidung und Barrierefreiheit interpretieren.

Die politische Konkurrenz dürfte dem CSU-Anliegen kaum ernsthafte Argumente entgegenzusetzen haben. Grüne, SPD und UWG sind vermutlich ohnehin dafür. Spannend wird es dagegen, wie sich die Allianz-Parteien WPS, BMS, BLS und FDP positionieren. So fände etwa BLS-Sprecherin Angelika Wahmke eine Übertragung der Sitzungen "toll" - fraglich nur, ob auch ihre Stadträte da mitspielen werden. Offen auch, wie sich die für ihren Schlingerkurs berühmte FDP, die auf Bundesebene auch schon mal für die Legalisierung von Marihuana plädiert, entscheiden wird. Die WPS hingegen, die unlängst erst die Einrichtung eines kostenlosen WLAN-Netzes in der Stadt forderte, müsste den CSU-Antrag uneingeschränkt unterstützen: Die ungeliebte "Lügenpresse" bliebe endlich außen vor, die Bevölkerung könnte sich unvoreingenommen ein Bild von der Arbeit im Stadtrat machen.

Und das BMS? 2013, als der SPD-Antrag durchfiel, hieß es im Stadtrat lapidar: Irgendwann werde die Übertragung gang und gäbe werden. Vergeblich forderte John damals: "Wir sollten uns schon jetzt auf den Weg machen!" Nun ist der Weg frei - es sei denn, die Stadt hätte kein Geld für diese Dienstleistung am Bürger. Eine virtuelle Teilhabe an der Debattenkultur im Stadtrat bliebe den Bürgern im Internet dann aber erspart.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: