Starnberg:Viele Zahlen, keine Entscheidung

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SZ-Grafik (Foto: N/A)

In der Debatte um Tunnel oder Umfahrung ist die Stadt einen Schritt vorangekommen. Die "Jann-Trasse" dürfte wegen ihrer geringen Entlastungswirkung kaum Chancen haben. Im Fokus steht nun Starnberg-Nord

Von Peter Haacke, Starnberg

Auf dem langen Weg zur Entscheidung, ob ein Tunnel oder eine Umfahrung Starnbergs Verkehrsbelastung am effektivsten mindert, ist der Stadtrat einen Schritt vorangekommen. Das Ingenieurbüro SHP (Hannover) präsentierte am Donnerstagabend vor 150 Interessierten in der Schlossberghalle Berechnungen zu verschiedenen Prognosefällen im Jahr 2030. Berücksichtigt wurden vier Szenarien zur erwarteten Entwicklung der Verkehrsströme: der Tunnel, eine ortsferne Umfahrung, gleich zwei Varianten einer ortsnahen Umfahrung sowie der "Prognose-Nullfall", bei dem es weder Tunnel noch Umfahrung gibt.

Eine konkrete Empfehlung aufgrund des vorliegenden Datenmaterials mochten die Verkehrsexperten zwar nicht abgeben. Doch bereits jetzt zeichnet sich ab: Die von vielen Starnbergern favorisierte ortsferne Umfahrung, die von der Bürgerliste als einzige Möglichkeit propagierte "Jann-Trasse", hat insgesamt die geringste Entlastungswirkung und dürfte damit aller Voraussicht nach aus dem Rennen sein. Zudem gibt es weiterhin keinerlei belastbare Aussagen zu rechtlichen und finanziellen Aspekten als zwingende Voraussetzung für eine Umfahrungslösung. Spannung verheißt die Frage, wie die Bürger in Starnberg-Nord auf die Präsentation reagieren. Der "Projektausschuss Verkehr" will sich mit der Interpretation der Daten nach Beratung in den Fraktionen am Donnerstag, 3. März, befassen.

"Sie werden relativ viele Zahlen hören", sagte SHP-Geschäftsführer Jörn Janssen zu Beginn des Vortrags, "und einen Ansatz, wie man mit den Zahlen umgehen kann". Er hatte seinem Team mit der Aufbereitung des Materials im Rahmen der Erstellung eines "Verkehrsentwicklungsplans" viel Arbeit bereitet. Bei den Berechnungen geht SHP unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren und auf Grundlage eigener Erhebungen bis 2030 von einer Steigerung des Verkehrsaufkommens um fünf Prozent aus. Die jeweiligen Szenarien wurden auf acht Bezugspunkte hochgerechnet. Berücksichtigt wurden Weilheimer Straße, Bahnhofplatz, der östliche Ortsausgang zur A 952, Gautinger Straße, Münchner Straße, Hanfelder Straße, Hauptstraße und Söckinger Straße. Wichtigste Erkenntnis: Alle untersuchten Planspiele haben Vor- und Nachteile.

Demnach würde eine ortsnahe Umfahrung - präsentiert wurden überraschend eine "innere" sowie eine "äußere" Variante - ihre größte Entlastungswirkung am östlichen Ortseingang Starnbergs, in Söckinger sowie an Münchner Straße und Hauptstraße entfalten; allerdings wäre die Gautinger Straße erheblich stärker belastet. Der Tunnel hingegen würde vor allem Weilheimer Straße und Bahnhofplatz sowie - in geringerem Maße - Münchner Straße und Hauptstraße von Autos befreien; die Söckinger Straße dagegen wäre überraschenderweise stärker belastet. Am schlechtesten schneidet im Vergleich die ortsferne Umfahrung ab aufgrund ihrer nur geringen Entlastungswirkung. Keinerlei Auswirkungen haben weder Tunnel noch Umfahrung auf den Ortsteil Percha, für den nun ein separates Verkehrskonzept entwickelt werden soll. Die Präsentation findet sich auf der Homepage der Stadt unter www.starnberg.de.

Allerdings sind Zahlen nicht alles. Janssen wies explizit darauf hin, dass die jeweiligen Faktoren je nach Zielfrage gewichtet werden können. Zudem bilden die Daten keine Belastungen in Spitzenzeiten ab. In der Diskussion entzündete sich - wie erwartet - die Kritik einmal mehr am methodischen Vorgehen. Stefan Frey monierte ebenso wie Martina Neubauer (Grüne) und Patrick Janick (UWG), dass im Planspiel keinerlei rechtlichen, finanziellen und umwelttechnischen Belange berücksichtigt wurden. Die Matrix der SHP-Experten aus Hannover blendet FFH,- Natur-, Landschafts- und Wasserschutzgebiete aus. Christiane Falk (SPD) lobte zwar die Präsentation, erachtete sie aber als "wertlos, solange unklar ist, ob wir das überhaupt machen können". Einen interessanten Aspekt warf Frey mit seiner Frage nach einer Einschätzung des Verkehrsexperten Janssen auf, ob Starnberg sich die Finanzierung des baureifen Tunnels entgehen lassen sollte; eine Antwort unterband Bürgermeisterin Eva John, weil es sich um "eine politische Einschätzung" handle. Auch lehnte das Gremium mehrheitlich die Untersuchung einer kombinierten Entlastungswirkung von Tunnel und Umfahrung ab. Allerdings wurde beschlossen, eine verkehrsentlastende Wirkung von Tempo 30 auf Hanfelder, Söckinger und Possenhofener Straße sowie B2 und Riedesel Straße ebenso untersuchen zu lassen wie den "Einbau von Widerständen" und Möglichkeiten einer Änderung der Verkehrsführung in der Innenstadt.

Erhöhter Gesprächsbedarf ergab sich zum Auskunftsantrag von CSU, UWG, SPD und Grünen, welche Gespräche Bürgermeisterin John mit Staatlichem Bauamt, Gemeinde Gauting, Landratsamt, Regierung von Oberbayern, bayerischem Gemeinde- und Städtetag geführt habe. Der Antrag wurde mit Mehrheit der Pro-Umfahrungs-Allianz zurückgestellt.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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