Starnberg:Verwirrung um ein fast vergessenes Erbe

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Das Grundstück an der Riemerschmidstraße gehört dem Roten Kreuz. (Foto: Ulfers)

Das Bayerische Rote Kreuz bietet über die Kreissparkasse ein Grundstück in Starnberg an, das nicht verkauft werden darf - angeblich ein "Missgeschick"

Von Peter Haacke, Starnberg

Gut beraten ist, wer sich schon zu Lebzeiten mit dem Tod befasst. "Wer sich Gedanken über sein Vermächtnis macht, empfindet die Verantwortung, sein Geld und Gut sinngebend zu hinterlassen", heißt es dazu auf der Homepage des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Starnberg. Denn "oft entsteht dabei, neben dem Wunsch, die Familie zu bedenken, auch das Bedürfnis noch einmal ganz Gutes tun zu wollen". Doch nicht immer wird mit dem Nachlass wunschgemäß verfahren: So hatte ein Rentner dem Kreisverband 1980 zwei Grundstücke vermacht mit der Auflage, das etwa 1200 Quadratmeter große Areal an der Riemerschmidtstraße als eine Art Seniorenpark öffentlich zugänglich zu machen. Im Juli 2015 aber wurde das "attraktive Baugrundstück in zentrumsnaher Lage" entgegen allen Vorgaben gegen Höchstgebot zum Kauf angeboten. Nachdem Nachbarn dagegen scharf protestierten, ruderte das BRK nun zurück: Kreisverbands-Geschäftsführer Jan Lang räumte ein "ungünstiges Missgeschick" ein. Es habe sich nur um einen "Marktwerttest" gehandelt, das Areal sollte nie veräußert werden. Doch es bleiben erhebliche Zweifel und Widersprüche an dieser Darstellung des BRK.

Als Friedrich M. (Name d. Red. bekannt) im Januar 1980 seinen letzten Willen verfasste, hatte er konkrete Vorstellungen. Unter Punkt 4 heißt es: "Die unbebauten Grundstücke ( . . . ) vermache ich dem BRK-Kreisverband Starnberg - und wenn der es ausschlägt der Stadt - mit folgenden Auflagen: Die auf dem Grundstück befindlichen größeren Bäume müssen erhalten bleiben. Das Grundstück darf nicht bebaut werden, außer einer Unterstellmöglichkeit für die Grundstücksbesucher. Das Grundstück soll als Erholungsmöglichkeit für ältere Menschen dienen und mit Ruhebänken versehen werden. Andere Einrichtungen wie zum Beispiel Kinderspielplätze dürfen nicht geschaffen werden. Eventuelle Grundstücksbelastungen müssen vom Vermächtnisnehmer übernommen werden." Nur zwei Monate später starb der alte Herr, das BRK trat das Erbe an.

Mehr als drei Jahrzehnte blieb das umzäunte Areal nahezu unangetastet, weder Parkbänke noch Unterstellmöglichkeit entstanden. In internen BRK-Unterlagen wurde das Grundstück mit dichtem Baumbestand als "Ein-Euro-Posten" geführt, bestätigte BRK-Kreisgeschäftsführer Lang. Irgendwann im Sommer muss das BRK in den Unterlagen auf das Grundstück gestoßen sein - und witterte möglicherweise eine Chance, die stets strapazierten Kassen zu entlasten. Man beauftragte die Immobiliengesellschaft der Kreissparkasse, und die tat, wie ihr geheißen. "Beste ruhige Villenlage in Starnberg" hieß es in einem Exposé: 1241 Quadratmeter, eingebettet in "saftiges Grün" auf einem anspruchsvollen Hanggrundstück, eine "wohlsituierte angenehme Nachbarschaft" und kurze Wege zu Schulen, Kindergärten und Stadtkern. Ein Preis fürs Grundstück, laut Bodenrichtwerttabelle zwischen 1,1 und 1,7 Millionen Euro, wurde nicht genannt - also ein offenes Bieterverfahren zugunsten des Höchstbietenden. Das Angebot Nr. 6376 wurde allerdings nur ausgewählten Kunden offenbart - allerdings nicht lange: Die "angenehme Nachbarschaft" erinnerte an die Vorgaben des Erblassers.

Sabine Potschka, durch eine Nachbarin eher zufällig informiert, reagierte prompt: Sie protestierte Anfang Juli schriftlich bei Kreissparkasse und BRK. Die Kreissparkasse zog das Angebot zurück, und BRK-Bereichsleiter Sebastian Schaller schrieb am 7. Juli zurück: "Unterlagen über den Eigentumsübergang - insbesondere das Testament - liegen nach über 30 Jahren und mehrmaligen personellen und räumlichen Wechseln bei uns leider nicht mehr vor", heißt es im Schreiben. Zwar sei bekannt gewesen, dass das BRK im Besitz des Grundstücks sei, aber "leider ging das Wissen über mögliche Auflagen der Erbschaft in dieser Zeit verloren". Auch im Grundbuch seien keine Eintragungen zu finden gewesen. Gleichwohl bat Schaller um Verständnis, "dass wir die derzeitigen Verkaufsbemühungen nicht offiziell abbrechen können, bevor wir uns nicht selbst ein Bild der Lage gemacht haben".

Es folgte ein Gespräch, doch Zugeständnisse im Sinne des Erblassers mochte das BRK nicht machen. Man wolle erst "weitere Optionen prüfen", sagte Geschäftsführer Lang vieldeutig - ohne diese Optionen jedoch zu konkretisieren. Potschka und ihrem Bruder, einem Rechtsanwalt, bot man stattdessen ein weiteres Gesprächs an. Doch Potschkas beharren auf Einhaltung der testamentarischen Vorgaben und verweigerten unter diesen Voraussetzungen ein weiteres Treffen. Die Fronten sind seitdem verhärtet, eine juristische Auseinandersetzung ist nicht mehr ausgeschlossen.

Inzwischen sind auch BRK-Landesverband und Bayerisches Innenministerium als Aufsichtsbehörde in die Angelegenheit involviert. Das Innenministerium sieht den Fall "als überaus kritisch" an, sagt Pressesprecher Oliver Platzer. BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk dagegen ist der Überzeugung, dass es sich "um eine zivilrechtliche Auseinandersetzung handelt zwischen dem Kreisverband des BRK und den Grundstücksnachbarn". Allerdings sieht die BRK-Landesgeschäftsführung derzeit keinen Anlass, in die Angelegenheit einzugreifen - und empfiehlt stattdessen ein klärendes Gespräch.

Geschäftsführer Lang betont, das BRK habe in den vergangenen 35 Jahren stets die Vorgaben des Erblassers eingehalten. Das Testament aber sei "bei uns in den Büchern verschütt gegangen". Er spricht von einem "ungünstigen Missgeschick" und "rudimentären Unterlagen". Der Grundstückswert betrage bestenfalls zwischen 500 000 und 600 000 Euro, dazu wurde ein externes Gutachten angefordert. Gleichwohl habe keine konkrete Absicht bestanden, das Areal ohne jeglichen betrieblichen Nutzen für das BRK zu veräußern. Lang: "Das war nur ein Markttest, was die Leute bieten. Das Grundstück stand nie zum Verkauf."

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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