Busverkehr:Unter Zeitdruck

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Ein anonymes Schreiben prangert Missstände für Busfahrer im ÖPNV-Liniendienst an, die nun vom Landratsamt überprüft werden

Von Peter Haacke, Starnberg

Die stete Verbesserung des "Öffentlichen Personennahverkehrs" (ÖPNV) ist eines der Ziele von Kommunen und Landkreis. Doch der Weg zu einem optimalen Buslinien-Angebot ist trotz vieler Vorgaben nicht frei von Kritik. Immer wieder gibt es einzelne Beschwerden, die zumeist Verspätungen betreffen. Aber auch das Verhalten des Personals wird zuweilen bemängelt. So wurde jüngst ein vorgeblicher Vorfall auf der Linie 950 bekannt, bei dem ein Busfahrer einen Fahrgast beleidigt und den Stinkefinger gezeigt haben soll. Damit nicht genug: Jetzt tauchte das anonyme Schreiben eines angeblichen Busfahrers bei Landratsamt, MVV, Polizei und Presse auf, das Missstände anprangert. Zentrale Aspekte des Briefes: Sicherheit sowie Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer; zur Dokumentation waren in Kopie Fahrtenschreiberscheiben beigelegt.

Seit Dezember 2015 bedient die Firma Waibel aus Landsberg die Stadtbuslinien 901, 902 und 903. Insgesamt 17 Fahrer - darunter sechs Deutsche - sind auf den drei Linien eingesetzt, ein Monatsfahrplan regelt Details. Bislang habe es keine gravierenden Beanstandungen gegeben, sagt Wilfrid Venerius, Waibelbus-Geschäftsführer und Vorstand der Deubus AG. "Keine Auffälligkeiten auf den genannten Linien", bestätigt auch MVV-Pressesprecherin Beate Brennauer.

Der Busfahrer, der das Schreiben verfasst haben will, sieht das anders: Er reklamiert unzureichende Pausen seit Mai. Zudem sei der Anteil der Fahrer, die schlecht oder gar nicht Deutsch sprechen, sehr hoch. Das Sprachproblem habe Auswirkungen auf Fahrscheinberatung und -verkauf, möglicherweise aber auch im Notfall. Zudem habe die Fluktuationsquote im Unternehmen in den vergangenen neun Monaten 75 Prozent betragen.

Diese Darstellung dementiert Venerius entschieden. Zwar räumt er - etwa im Berufsverkehr oder bedingt durch Baustellen - zuweilen Unregelmäßigkeiten im Linienverkehr ein. "Natürlich gibt es mal Verspätungen", sagt er, "im Verkehrschaos steckt man nicht drin." Gleichwohl entspreche die Pausenregelung für seine Fahrer allen gesetzlichen Vorgaben, die Bezahlung sei übertariflich und die im Schreiben genannten Zahlen zur Personalfluktuation bei Waibel "kann ich nicht nachvollziehen".

Das Starnberger Landratsamt, das beim ÖPNV eng mit dem MVV kooperiert, hat das anonyme Schreiben ebenfalls erreicht. "Wir nehmen die Sache ernst", sagt Pressesprecher Stefan Diebl, "es wird geprüft." Auf städtischen Buslinien gibt es ohnehin immer wieder Qualitätskontrollen. Verstöße der Fahrer werden - je nach Schwere - durch Vertragsstrafen in Höhe von 50 bis 250 Euro geahndet, teilt MVV-Pressesprecherin Brennauer mit. Dazu zählen etwa Telefonieren am Steuer während der Fahrt (200 Euro), falsche Tarif- oder Fahrplanauskünfte (150), Rauchen im Fahrzeug (100), nicht korrekte Dienstkleidung (100), fehlende Namensschilder (50) oder auch "unterlassene Hilfestellung für hilfsbedürftige Fahrgäste" (100).

Die Starnberger Polizei leitete das anonyme Schreiben ans zuständige Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Oberbayern weiter. Doch auch hier sind zu den genannten Linien 901, 902 und 903 "bislang keine Beschwerden eingegangen". Für Verkehrskontrollen ist grundsätzlich die Polizei zuständig. Die Gewerbeaufsicht überprüft dagegen "anlassbezogen und stichpunktartig, ob Lenk- und Ruhezeiten bei den Unternehmen eingehalten werden". Die Fahrpersonalverordnung lässt im Linienverkehr bis 50 Kilometer Linienlänge allerdings erhebliche Ausnahmen von den Lenk- und Ruhezeitvorschriften zu. Für Berufskraftfahrer im Personenverkehr sind umfangreiche Schulungen und Weiterbildungen zu Sicherheit und Gesundheitsschutz vorgeschrieben - auch bei Waibelbus. Besondere - deutsche - Sprachkenntnisse für das Lenken eines Linienbusses werden allerdings nicht verlangt. Ohnehin seien kaum Fahrer auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen, bestätigt Venerius. Die aber würden bei Waibel "super vorbereitet" in den Dienst starten. Der Geschäftsführer vermutet "persönlichen Frust" des Busfahrers als Motiv für den Rundumschlag gegen seinen Arbeitgeber.

MVV-Sprecherin Brennauer verweist darauf, dass Fahrgäste sich bei Beanstandungen an die Hotline unter Telefon 089/4142 4344 oder per E-Mail unter der Adresse Kundenbetreuung@MVV-Muenchen.de wenden können.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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