Starnberg:Umstrittener Radstreifen

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Markierung in der Seestraße in Percha beschäftigt Starnberger Rathaus, Landratsamt, Straßenbauamt, Regierung und Polizei

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Beseitigung eines probeweise markierten, knapp 200 Meter langen Radwegs entwickelt sich zu einem bürokratischen Lehrstück: 2017 hatte Starnbergs Stadtverwaltung in einer Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung Markierungen aufgetragen. Das Landratsamt hat das auf ein Jahr beschränkte Verkehrsexperiment schon vor Wochen für beendet erklärt. Doch so leicht geht es offenbar nicht: Mittlerweile sind diverse Behörden in die Angelegenheit involviert. Statt die Streifen einfach zu übermalen, tobt ein ausufernder Schriftverkehr.

Änderungen der Verkehrsführungen haben seit 2015 eine gewisse Tradition in Starnberg, treffen allerdings nicht immer auf ungeteilte Gegenliebe. Eines der vielen Experimente, das von der Stadtverwaltung auf Wunsch von Bürgermeisterin Eva John im Vorjahr umgesetzt wurde, erklärte das Landratsamt Starnberg per Beseitigungsanordnung schon Mitte Mai für beendet: Ein umstrittener und überwiegend als unsinnig geltender Fahrradschutzstreifen in der Seestraße in Percha sollte wieder entfernt werden. Doch die Stadt reagierte bislang nicht auf die Anordnung. Grund: Laut einer Mitteilung der Stadtverwaltung soll sich ein einziger Anwohner ans Bayerische Innenministerium gewandt haben mit der Bitte um Erhalt der Markierungen.

Das Schreiben des Landratsamts war zunächst dem Staatlichen Bauamt in Weilheim zugestellt worden. Doch dort fühlt man sich zurecht nicht zuständig für die Straßenmalarbeiten der Stadt und leitete den Brief ans Starnberger Rathaus weiter. Daraufhin wurde die Straßenmeisterei Wolfratshausen "zum Vollzug der Anordnung aufgefordert", heißt in einer Pressemitteilung der Stadt. Doch auch die Straßenmeisterei wähnt sich nicht zuständig für die Beseitigung der Markierungen. Der Radstreifen blieb also. Der Anwohner hatte mit seinem Schreiben ans Innenministerium derweil weitere Aktivitäten erzwungen: Das Ministerium übertrug die Angelegenheit an die Regierung von Oberbayern, die aber vor einer Entscheidung über Entfernung oder Verbleib der Markierungen wiederum Stellungnahmen von Polizei, Landratsamt und Stadt benötigt.

Der Radstreifen ist nicht der erste Eingriff der Stadtverwaltung in Starnbergs Straßenverkehr: Die wegen Bauarbeiten nur stadtauswärts befahrbare Wittelsbacher Straße etwa wurde erst nach massiven Protesten wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt. Eine Ausweisung von Anliegerzonen westlich des Bahnhofs Nord zur Verhinderung von "Schleichverkehr" gilt als unkontrollierbar. Markierungen rund um den Bahnhof Nord sind verkehrsrechtlich irrelevant. Hinzu kommen diverse Zebrastreifen, eine kontrovers diskutierte Wandlung des Riedener Wegs in eine Fahrradstraße oder diverse Querungsinseln; eine davon entstand sogar direkt vor der Zufahrt der Söckinger Feuerwehr, wurde mittlerweile aber wieder entfernt.

Dabei schien Bürgermeisterin John es nur gut gemeint zu haben: Die Stadtverwaltung verkündete, an der Seestraße herrsche "allgemeines Parkchaos, das meist durch Badegäste verursacht wird". Für Feuerwehr und Rettungsdienste sei zeitweise kaum ein Durchkommen. Mittels der gestrichelten Linie "versuchen wir, dem Verkehrschaos in der Seestraße entgegenzuwirken und eine freie Fahrt für Rettungsdienste zu ermöglichen", erklärte die Bürgermeisterin. Zudem sollte es Radfahrern ermöglicht werden, entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung legal in der Einbahnstraße unterwegs zu sein.

Doch das Vorhaben blieb umstritten. Anwohner protestierten, weil sie vom Halteverbot besonders betroffen waren. Die Feuerwehr erklärte, von "besonderen Problemen" sei ihr nichts bekannt. Und die Polizei lehnte das Ansinnen der Stadtverwaltung gar als "rechtswidrig" ab und kontrollierte fortan nicht mehr. Lediglich die Untere Verkehrsbehörde hatte zugestimmt, weil es um die "Sicherheit der Radfahrer" ging und Auswirkungen auf den überörtlichen Verkehr nicht zu erwarten seien. Städtische Mitarbeiter pinselten also los - und mussten die Markierungen schon bald wieder entfernen: Abgesehen davon, dass der Radweg nicht gerade geradlinig war, war er auch nicht breit genug. Überdies waren Piktogramme verwendet worden, die in der Straßenverkehrsordnung gar nicht existieren. Erst der zweite Versuch gelang.

Die Stadtverwaltung bleibt weiterhin vom Sinn der Markierungen überzeugt. Während der Probephase seien "keine Beschwerden mehr eingegangen", von Radfahrern sei der Schutzstreifen "begrüßt und dementsprechend genutzt" worden, heißt es aus dem Rathaus. Die Regierung von Oberbayern prüft derweil den Sachverhalt. "Wir haben hierzu entsprechende Stellungnahmen angefordert", teilte Pressesprecherin Verena Gros mit. "Aktuell können wir keine Angaben dazu machen, wann die Prüfungen abgeschlossen sind." In der Praxis aber wird sich in der Seestraße - ob mit oder ohne Markierungen - vorerst nichts ändern.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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