Starnberg:Stimmgewaltig

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Kein Jahr ohne Bürgerentscheide: Schon in den nächsten Wochen stehen in Inning und Dießen die ersten Abstimmungen an. Weitere könnten in Wörthsee und Utting folgen

Von Astrid Becker, Starnberg

Seit 20 Jahren gibt es das demokratische Instrument der Bürgerbegehren und -entscheide in Bayern. Auch im Landkreis Starnberg wurde diese Art der Mitbestimmung seither eifrig genutzt - ob es um Großprojekte wie eine Umfahrung in Weßling ging oder um die Verlegung des Christkindlmarktes in Herrsching: Zuletzt waren bei diesen Themen immer die Bürger gefragt. Auch in diesem Jahr kündigen sich wieder einige Entscheide im Kreis an.

Bereits Ende Januar werden die Inninger zum zweiten Mal über die Frage entscheiden, ob ihre Ortschaft eine Umfahrung braucht oder nicht. Die Diskussion über ein solches Projekt reicht allerdings bereits Jahrzehnte zurück. Zum ersten Mal befanden die Bürger über diese Frage Ende 2013. Damals sprach sich eine Mehrheit gegen die Trasse im Westen aus. Dass sie überhaupt ein Wörtchen mitreden dürfen, haben sie einem Volksentscheid zu verdanken. Am 1. Oktober 1995 hatten die Bayern darin ihr Recht auf Bürgerbegehren und Bürgerentscheide erwirkt - und damit sogar eine Vorreiterrolle für andere Bundesländer gespielt. Exakt einen Monat später trat die neue Regelung in Kraft. In der Bayerischen Verfassung hat sie im Artikel 12, Absatz drei Eingang gefunden. Dort heißt es seither: "Die Staatsbürger haben das Recht, Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde und Landkreise durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu regeln.(...)"

Noch mehr als in Starnberg nützt der Nachbarlandkreis Landsberg diese Art der kommunalen Mitbestimmung: Er hat seit Inkrafttreten der neuen Regelung bis zum 31. Oktober 2015 laut einer Erhebung des Vereins Mehr Demokratie insgesamt 15 Abstimmung hinter sich gebracht - und rangiert damit bayernweit auf Platz eins. Drei Plebiszite fanden allein in Utting statt. Schon sehr bald steht am Ammerseewestufer ein neuer Entscheid ins Haus: So sollen die Dießener am 13. März über den geplanten Kiosk in den Seeanlagen befinden. Hintergrund dafür sind die vom Gemeinderat ausgewählten Pläne für das neue Bauwerk, die auf Kritik bei einer Initiative rund um die Dießener Architekten Jürgen Bahls und Matthias Krapf gestoßen sind. Sie will nun einen Wettbewerb ausloben, dessen Gewinnerentwurf realisiert werden soll - und zwar anders als bisher mit überdachten Sitz- und Freiflächen. Dieser Entscheid dürfte einer der kostspieligsten in der Region sein, und zwar bereits bevor überhaupt irgendein Kiosk dort entstehen kann. Die Rede ist von einer sechsstelligen Summe, die die Kommune dafür aufbringen müsse: Denn nicht nur der Entscheid selbst schlägt zu Buche, sondern auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Bürgermeister Herbert Kirsch geht allein von 35 000 Euro für den Wettbewerb, 25 000 Euro für die möglicherweise nicht mehr zu realisierenden Pläne der bisherigen Architekten Engelsmann und Peters sowie 40 000 Euro für einen qualifizierten Bebauungsplan aus.

Nach diesem Entscheid dürfen sich die hiesigen Bürger wohl noch weiter in ihrem Demokratieverständnis üben. Abzusehen ist beispielsweise auch ein neues Bürgerbegehren in Wörthsee zu einem alten strittigen Thema: dem Logistikzentrum, das Aldi gern in der Gemeinde bauen würde. Das Vorhaben wurde zwar bereits in einem Entscheid abgelehnt, doch nun, da die Bindungsfrist abgelaufen ist, wird der dafür zuständige Geschäftsführer des Discounters, Michael Klöter, erneut im Ratsgremium vorstellig, um für das Projekt und dessen Realisierung zu werben.

Auch die Starnberger könnten noch in diesem Jahr an die Wahlurnen gebeten werden - und zwar zum ebenfalls seit Jahren schwelenden Streit um die Seeanbindung. Die CSU und die SPD jedenfalls würden gern die Bürger befragen, allerdings gegen den Willen von Bürgermeisterin Eva John und deren Mitstreiter. Auch die Frage Tunnel oder Umgehung könnte irgendwann in einem Bürgerentscheid enden - theoretisch.

Noch ist davon keine Rede. Möglicherweise könnten auch die Gräfelfinger noch einmal um ihr Votum gebeten werden. Denn derzeit wird über den Bau einer Entlastungsstraße für die Pasinger Straße diskutiert, einer Art "Umgehung Light", wie diese Variante inoffiziell dort genannt wird. Denn eine echte große Umgehung wurde vor etwas mehr als drei Jahren schon einmal in einem Entscheid abgelehnt, eine Lösung des zu großen Verkehrsaufkommens auf der Pasinger Straße bisher aber nicht gefunden. Die neue Idee wäre jedenfalls ein typisches Thema bürgerlicher Mitbestimmung. Eventuell würden auch die Uttinger gerne wieder einmal über ein Projekt abstimmen: Der Bau eines Bootshauses für die Polizei am Holzhauser Dampfersteg erregt die Gemüter. Die Planungshoheit dafür liegt jedoch nicht in kommunaler Hand, sondern beim Innenministerium. Dennoch wäre ein Bürgerbegehren denkbar, das etwa von der Gemeinde fordert, "alle rechtlich zulässigen Mittel zur Verhinderung des Bootshauses zu ergreifen". Im Falle einer Zustimmung könnte der Entscheid freilich folgenlos bleiben, wenn die rechtlichen Mittel Uttings nicht ausreichten, den Bau zu verhindern.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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