Starnberg:Stadtrat gegen Bürgermeisterin

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Verwaltungsgericht verhandelt Klage der Zwei-Drittel-Mehrheit

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Stadtrat verklagt die eigene Bürgermeisterin, weil er sich unzureichend informiert fühlt: Am Verwaltungsgericht München wird am Mittwoch, 18. Juli, um 9.30 Uhr in Saal 4 eine Verhandlung eröffnet, die durchaus Seltenheitswert haben dürfte in Bayern. Im Kern des Prozesses geht es um die Frage, auf welche Informationen ein politisches Gremium Anspruch hat, um richtungsweisende Entscheidungen treffen zu können.

In der Verhandlung geht es um ein von der Stadt beauftragtes Gutachten zum Thema Seeanbindung, das die Folgen der Nichterfüllung eines 1987 geschlossenen Vertrags mit der Bahn beleuchtet. Dieser Pakt betrifft insbesondere die Veränderung des Gleisverlaufs zwischen See und Stadt, unter anderem ist festgelegt, dass die Ansprüche der Vertragsparteien Ende 2017 verjähren. Das Gutachten wurde jedoch nach Angaben einer Mehrheit im Stadtrat von Bürgermeisterin Eva John zunächst unter Verschluss gehalten. Die Fraktionen von CSU, SPD, Grüne, UWG, Parteifreien und Teilen der Bürgerliste hatten daraufhin wiederholt verlangt, Einsicht nehmen zu können. Im November 2017 kündigten sie schließlich einen Kommunalverfassungsstreit an. In dieser Klage vor dem Verwaltungsgericht ist allerdings nicht die Bürgermeisterin persönlich, sondern die Stadt die Beklagte.

John war schon Mitte 2016 mit der Einholung eines Gutachtens zu den Folgen eines Auslaufens des Vertrags beauftragt worden; zudem sollte sie Gespräche mit der Bahn aufnehmen und spätestens im Juni 2017 darüber berichten. Doch es passierte in den Augen der Kläger zunächst nichts. Erst im Herbst lag das Gutachten vor. Zwar wurde "die geheimzuhaltende Angelegenheit" - so der amtliche Begriff - mündlich in nichtöffentlicher Sitzung vorgestellt. Eine Einsichtnahme ins Papier wurde den Stadträten aber trotz ablaufender Fristen zunächst verwehrt.

Nachdem auch die Kommunale Rechtsaufsicht in die Angelegenheit involviert wurde, gewährte die Bürgermeisterin den 30 Stadträten im Dezember 2017 kurzfristig zwei Termine über jeweils zwei Stunden zur Einsichtnahme. Das Gremium blieb mehrheitlich dennoch der Ansicht, dass die Bürgermeisterin dem Stadtrat nicht in ausreichender Form Möglichkeiten zur Kenntnisnahme gewährte.

Der Prozess mag auf den ersten Blick angesichts einer seit Jahresbeginn 2018 laufenden Mediation zwischen Stadt und Bahn eine Verhandlung ohne Wert sein. Doch spätestens im Fall eines Scheiterns dieser Gespräche dürfte das Gutachten wieder Relevanz haben: Sollte es zu keiner Einigung beim Thema Seeanbindung kommen, droht der Stadt eine Schadenersatzklage in Millionenhöhe.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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