Starnberg:Selbst gestrickt

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"Nadel und Faden" ist der letzte Handarbeitsladen in Starnberg. Christine Langer führt ihn seit 1999. Eine besondere Vorliebe hat die Inhaberin auch - und zwar für Knöpfe

Von Sabine Bader, Starnberg

Das Wichtigste zuerst: Ja, Männer stricken gern und besonders akkurat noch dazu. Und es ist Männern auch gar nicht peinlich, mit Nadel und Faden erwischt zu werden. Häkeln können sie natürlich ebenfalls. Seit zwei oder drei Jahren sind bei ihnen gehäkelte Mützen "der Knaller", erzählt Christine Langer. Sie betreibt den Laden "Nadel und Faden" in der Starnberger Ludwigstraße. Der einzige seiner Art, den es noch in der Kreisstadt gibt. In den Achtzigerjahren war das noch anders. "Das wurde an jeder Ecke gestrickt", und in Starnberg gab es vier oder fünf Wollgeschäfte, erzählt sie. Anfang der Neunzigerjahre kam dann der große Einbruch. Handarbeiten war plötzlich out, und die Wollläden in der Stadt machten alle dicht. Erst ein paar Jahre später eröffnete Langers Vorgängerin Christa Krismann ihr Geschäft. Halbtags stand sie im Laden, die restliche Zeit betrieb sie eine Polsterei. Damals war der Laden noch in der Sparkassenpassage neben dem alten Kino. Seit 1995 schon war Christine Langer mit von der Partie. Erst stundenweise, dann wurde es immer mehr. Anfang 1999 übernahm Langer dann den Laden, denn die Eigentümerin wanderte nach Kanada aus. "Ich bin dazu gekommen, wie die Jungfrau zum Kind", sagt sie. Nun, eine besondere Nähe zum Handarbeiten hatte sie schon durch ihre Mutter. "Bei uns wurde immer gehandarbeitet." Das wichtigste für sie als Geschäftsinhaberin: mit der Zeit gehen. Kratzige Schafwolle war nicht mehr gefragt. Langer stellte das Sortiment auf moderne Garne um, mit frischen Farben. Und die neuen Kunden kamen. Die 59-Jährige achtet sehr auf gute Qualität. Ob eine Wolle etwas taugt, stellt sie beim Stricken schnell selbst fest. In diesem Jahr sind übrigens Erdtöne gefragt: grau, schwarz, schokoladiges Braun - gerne auch in Verbindung mit Farbe. Und Wolle mit Farbverlauf.

Langer führt keine Kommissionsware. Das heißt: Sie kann nichts zurückgeben. Wenn sie auf einer Wolle sitzen bleibt, ist das schlicht ihr eigener Verlust. Da heißt es, mit Verstand auswählen. An einer ganzen Wand im Laden liegen die Wollknäuel dicht an dicht. Doch zum Handarbeiten gehört mehr als stricken und häkeln. Da muss auch mal ein Loch gestopft oder ein Reißverschluss eingenäht werden. Natürlich hat Langer auch dafür alles vorrätig, wenngleich ihr Laden nur 35 Quadratmeter misst.

Ja, und dann hat sie noch ein Laster. Ihr Einziges, wie sie sagt: Knöpfe. Sie liebt Knöpfe. Nicht die normalen Plastikdinger, sondern die besonderen, die ausgefallenen: emaillierte Kokosschalen beispielsweise oder Intarsienknöpfe aus Holz. Regelrecht verliebt hat sie sich einmal in Knöpfe aus gefärbten Sägespänen, Akrylharz und Intarsien. Der Untergrund ist Horn. Speziell für diese Knöpfe hat sie sich selbst eine Jacke gestrickt. "Mit Knöpfen kann man einem Kleidungsstück eine völlig neue Note geben", weiß sie. Langers Kundschaft weiß um ihre Vorliebe für den Knopf. Diese kleinen bunten, meist runden Besonderheiten aus dem Starnberger "Nadel und Faden" werden mitunter sogar nach Schweden verschickt oder nach Japan.

Jetzt betritt eine Frau mittleren Alters den Laden. Sie will Wolle für Socken nachkaufen und lässt sich von Langer erklären, wie sie die Ferse am Besten hinbekommt. Eine schriftliche Strickanleitung für Socken bekommt sie neben der Erklärung gratis dazu. Sibylle Hepp, so der Name der Kundin, kommt schon lange zu "Nadel und Faden". "Ich liebe diesen Laden einfach", sagt sie. Und an die Adresse Langers gerichtet: "Sie wissen einfach auch fachlich alles."

Früher musste man sich Pullis stricken, weil man sich die gekauften nicht leisten konnte. Heute heißt es: "Ich muss mir den Pulli nicht kaufen, ich kann ihn mir selbst stricken. Das ist der Unterschied." Der Vorteil ist auch: Man hat ein absolutes Unikat. "In manchen Krankenhäusern wird Stricken sogar schon als Therapie angeboten", weiß Langer. "Stricken ist eine Möglichkeit zum Entschleunigen, Hinsetzen und Runterfahren." Ihre Tochter hält es indes weniger als die Mutter mit dem Handarbeiten. Sie hat als Kind wohl zu viel selbst Gestricktes tragen dürfen. So dass sie irgendwann die Mama inständig bat: "Darf ich auch mal einen gekauften Pulli anziehen?"

Ihr skurrilster Kunde in all den Jahren war übrigens ein Mann, der eine kleinkarierte Hose trug. Die Farben der Karos: blau, beige und braun. Der Saum der Hose war kaputt. Der junge Mann brauchte also einen Nähfaden. Als Langer ihn fragte, welche Farbe der Faden haben soll, meinte er: am besten kariert.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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