Starnberg:Schelllack und Lügen

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Wie viel Stradivari darf's denn sein? Manfred Ball (rechts) und Key-Thomas Märkl beim Theaterabend in Starnberg. (Foto: Georgine Treybal)

Schauspieler Manfred Ball und Geiger Key-Thomas Märkl führen im Bahnhof am See die "Bekenntnisse eines Geigenhändlers" auf, der seine Kunden übers Ohr haute

Von Berthold Schindler, Starnberg

Geigenhändler, das klingt nach einem ehrbaren Beruf. Zumindest nicht nach jemandem, der auf großem Fuße zwielichtige Spekulationsgeschäfte abschließt und seine Kunden betrügt. Und doch beruht das Theaterstück, das am Sonntagnachmittag im "Wartesaal für allerhöchste Herrschaften" des See-Bahnhofs stattfand, auf einer wahren Geschichte: 2011 wurde der Händler Dietmar Machold als Hochstapler entlarvt. Machold, im Hauptberuf Jurist, galt mit Niederlassungen in New York, Zürich, Berlin, Seoul, Tokio, Wien und Chicago als der bedeutendste Stradivari-Geschäftsmann der Welt - bis sein auf Veruntreuung und gewerbsmäßigem Betrug aufgebautes Imperium zusammenbrach und er zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Aus dieser Vorlage hat die vielseitig begabte Feldafinger Künstlerin Kim Märkl ihre Inspiration genommen, um "Liebe, Diebstahl und Holzwürmer" zu schreiben. Die ursprünglich aus Cleveland stammende Klarinettistin, Komponistin und Autorin hat den Stoff freilich etwas geändert. Im Stile von Thomas Manns "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" berichtet der auf kriminelle Abwege geratene Violinenhändler aus dem Gefängnis von seiner Karriere. Ohne ihm zu nahe treten zu wollen: Wenn der Schauspieler und ehemalige Opernsänger Manfred Ball mit Anzug, orangenem Schlips, Pferdeschwanzfrisur und öliger Stimme im Plauderton von seinen Betrügereien erzählt, ertappt man sich schon mal bei dem Gedanken, möglicherweise einem echten Edelgauner zuzuhören. Seine Figur träumte jedoch im Unterschied zur realen Person selbst von einer Musikerkarriere. Alleine: Er ist einfach nur "mittelmäßig". Wesentlich ausgeprägter ist sein Verkaufstalent. Und als er merkt, dass seine Kunden eine Guarneri del Gesù - herrlich, wie Ball diesen klangvollen italienischen Geigenbauernamen genussvoll zelebriert - nicht von einer wertlosen Fidel unterscheiden können, nimmt das Unheil seinen Lauf: Er schwindelt in immer größerem Stil, bis schließlich die Gier die Oberhand gewinnt und seine dubiosen Praktiken auffliegen. Reue zeigt er auch im Knast keine. Als Gegenpol zum Bösen spielt der Violinist Key-Thomas Märkl von den BR-Symphonikern anspruchsvollste Sololiteratur für Geige, sein Spiel steht für die Unschuld der Musik. Atemberaubend vor allem die unter Kennern berüchtigte Nummer 24 von den Capricci aus der Feder des "Teufelsgeigers" Niccolò Paganini, das als eines der schwersten Stücke gilt, das je für das Instrument geschrieben wurde. Märkl meistert dieses und andere Etüden mit Bravour. Der Musiker und der Erzähler wurden ebenso herzlich von den Zuhörern beglückwünscht wie die Autorin.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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