Bootsunglück:Ruderer ohne Rettungswesten

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Die vier verunglückten Sportler sind Teammitglieder des Münchener-Ruder-Clubs in Starnberg. Vereinschef Eler von Bockelmann nimmt Stellung zu dem Bootsunfall auf dem See

Von Christian Deussing, Starnberg

Die vier Ruderer aus München, die am Sonntag in letzter Sekunde aus dem Starnberger See gerettet wurden, sind Teammitglieder des Münchener Ruder-Clubs (MRC). Es ist der Verein, der bereits vor einem knappen Jahr in die Kritik geraten war. Damals war ein 13-jähriger Schüler im eiskalten Wasser ertrunken, weil er als Anfänger allein ohne Begleitboot und Aufsicht gerudert war. Gegen zwei Betreuer ist danach Anklage erhoben worden. Doch diesmal liegt der Fall etwas anders. Denn die vier erwachsenen Ruderer hatten sich "eigenverantwortlich für die Ausfahrt entschieden", wie der MRC-Vorsitzende Eler von Bockelmann betont. Er hat am Sonntag selbst in einem Achter gesessen und beobachtet, dass bei einer "frischen Brise" auch Boote anderer Vereine auf dem See gewesen seien. Wegen der sicher nicht optimalen Wetterlage hätte aber die Jugendabteilung ihre Übungseinheit in den Kraftraum verlegt und auch Erwachsene hätten auf das Training auf dem Wasser verzichtet oder den Bootstyp gewechselt, berichtet der Präsident. Er verweist zudem auf das Sicherheitskonzept im Verein, wonach im Gig-Vierer - der kein Rennboot sei - Rettungswesten nicht Pflicht seien. Die Westen würden jedoch empfohlen. Der MRC-Vorsitzende ist sehr froh darüber, dass das betroffene Team vorschriftsmäßig ein Handy in wasserdichter Hülle an Bord hatte - und somit noch einen Notruf absetzen konnte. Der Vorstand will nun aber genau prüfen, wie es zum Unglück kommen konnte und daraus auch lernen. "Wir müssen das aufarbeiten und vielleicht Dinge verbessern", sagte der Ruderclub-Vorsitzende der SZ.

Zu klären ist zum Beispiel, warum die Mannschaft laut Vorstand versäumt hatte, die Bootsabdeckung anzubringen, obwohl dies nach interner Vorschrift bei bestimmten Wetterlagen unerlässlich ist, um das Ruderboot vor "Wellenschlag" und dem Volllaufen zu schützen. Das erfahrene Team habe sich zudem entgegen der geltenden Fahrtordnung, "nicht westlich unter Land", sondern offenkundig nach gerade begonnener Ausfahrt auf der "windabgewandten Ostseite des Sees" befunden, heißt es am Montag in einer Stellungnahme des MRC-Vorstands zu dem Unglück. Das hatte sich einige hundert Meter vom Starnberger Undosa-Lokal entfernt abgespielt. Dabei waren ein Hubschrauber und mehr als 30 Rettungskräfte am Sonntagvormittag im Einsatz gewesen. Vor allem eine Ruderin, eine 31-jährige Frau aus der Landeshauptstadt, war schon schwer unterkühlt und mit ihrer Kraft am Ende gewesen. "Sie war schon extrem entkräftet", berichtet Walter Kohlenz, Sprecher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) im Landkreis Starnberg. Es sei bei dem Vierer-Boot niemand in der Nähe gewesen, um zu helfen. Und das bei vier Grad kaltem Wasser, in dem der "Körper sehr schnell auskühlt".

Auch deshalb wunderten sich einige Helfer, warum die Ruderer keine Rettungswesten trugen und nur dünn bekleidet waren - lediglich ein Sportler hatte einen leichten Neoprenanzug getragen. Auch zu diesen Vorwürfen äußert sich der MRC-Vorsitzende: Die Sicherheit sei seinem Verein bereits seit vielen Jahren ein "wichtiges und komplexes Thema", versichert von Bockelmann. In dem Unglücksboot hätten die Personen "im Rudersport übliche Funktionskleidung" getragen. Bei dem verunglückten Vierer handele es sich außerdem um ein etwa elf Meter langes und 70 Zentimeter breites Großboot. Bei diesem Typ seien die Westen nicht zwingend vorgeschrieben. Zum Sicherheitskonzept gehöre aber natürlich nicht, "ins Wasser zu fallen", sagt der Präsident.

Die Starnberger Polizei ermittelt nun, ob und wie weit das Unglück durch fahrlässiges Verhalten herbeigeführt wurde. Für manche Beobachter geht es allerdings nicht nur darum: Sie fragen sich, ob das Rudern bei diesen Wassertemperaturen nicht lebensgefährlicher Leichtsinn ist.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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