Starnberg:Riesige Erwartungen

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Die Stadt will sich vom Dauerstau befreien, soviel ist klar. Doch das ist auch alles. Denn auf eine tragbare Lösung konnte man sich in Jahrzehnten nicht einigen. Jetzt sind Verkehrsplaner gefordert, die Streitenden zu einen

Von Peter Haacke, Starnberg

Schnelle machbare Lösungen für die viel diskutierte Verkehrsproblematik in Starnberg hatten einige politischen Gruppierungen in den Wahlkämpfen 2014 und 2015 in den Vordergrund gerückt. Doch ganz so schnell wie erhofft geht es offensichtlich selbst durch einen Bürgermeister-Wechsel nicht: Der Baubeginn der Westumfahrung verzögert sich, weil die Stadt noch immer nicht alle Grundstücke erworben hat und die Regierung von Oberbayern die Trasse daher nicht mehr ins Förderprogramm 2015 aufnimmt. Frühestens im November können die Rodungsarbeiten beginnen, erst im Frühjahr 2016 dürften die Bauarbeiten an Brücken und Unterführungen starten. Mit einer Fertigstellung der Trasse ist vor Mitte 2018 kaum zu rechnen - wenn alles gut geht. Die Stadt Starnberg hat für alle Grundstücke, die bis März nicht im Verhandlungswege erworben werden konnten, einen Antrag auf Besitzeinweisung gestellt. Das Landratsamt führte die Verhandlungen dazu im Juni. Für ein Verfahren wurde dabei die Besitzeinweisung beschlossen, ein Verfahren wurde wegen bisher nicht geklärter Erbverhältnisse ausgesetzt, bei weiteren drei Verfahren wurde Einigkeit erzielt. Ein Grundstücksverkauf wurde bereits notariell beurkundet, bei weiteren zwei steht die Beurkundung bevor. Aber auch der Verkehrsentwicklungsplan (VEP), der auf Beschluss des Stadtrats schon diesen Sommer hätte vorliegen sollte und umfassende Lösungen nicht nur in Hinblick auf Tunnel oder Umfahrung verheißt, wird kaum vor Herbst 2016 fertiggestellt sein.

Mal abgesehen von den aktuellen Dauerbaustellen in der Kreisstadt - etwa der "Seufzerberg" in der oberen Bahnhofstraße oder die seit Wochen nur stadtauswärts befahrbare Wittelsbacherstraße - warten die Starnberger weiterhin auf den Startschuss zum Bau der Westumfahrung. Während an der Waldkreuzung der Staatsstraße 2069 auf der Verbindung zwischen Starnberg und Gilching bereits am Mittwoch der Baubeginn für einen Kreisverkehr erfolgt und noch im November freigegeben wird - federführend ist hier der Landkreis - geht bei den "großen" Starnberger Verkehrsprojekten nichts voran.

Die obere Bahnhofstraße in Starnberg - Fahrschülern besser kekannt als "Seufzerberg - bleibt für den Verkehr noch bis Ende Oktober gesperrt. (Foto: Arlet Ulfers)

Besonders große Hoffnungen richten sich auf den VEP. In der Vorwoche gab es erste Einzelgespräche zwischen Vertretern des Gutachterbüros "SHP Ingenieure" (Hannover) und Bürgerliste-Chef Walter Jann, Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger (Verein "Umweltbewusste Verkehrsentlastung Starnberg") sowie dem einstigen Kreisbaumeister Helmut Rauscher gemeinsam mit Irmgard Franken (Arbeitskreis Verkehr). Einzig der Verein "Pro Umfahrung - contra Amtstunnel" sah sich nicht in der Lage einen Vertreter zu entsenden, nachdem sich der Vorsitzende Klaus Huber zu einem Urlaub in die Schweiz verabschiedet hatte. Dieses Gespräch soll nun Ende August nachgeholt werden.

SHP-Geschäftsführer Jörn Janssen mochte nach den ersten drei Einzelgesprächen auf SZ-Anfrage noch keine Einschätzung zur Gesamtproblematik abgeben, dürfte aber bereits eine Ahnung von der politischen Brisanz des thematischen Dauerbrenners in Starnberg bekommen haben. Erste Ergebnisse stellte er frühestens für Oktober in Aussicht, das fertige Gutachten aber soll es erst im Herbst 2016 geben. Zwar soll auch die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit informiert werden. Doch "bis dahin wollen wir schweigen", sagte Janssen, "gerade weil das Thema in dieser Stadt so ein Politikum ist". Auf das Team aus Hannover (siehe Kasten) wartet eine anspruchsvolle Aufgabe. Neben der grundsätzlichen Fragestellung, ob nun ein Tunnel und eine Umfahrung die bessere machbare Lösung darstellt, wollen die Fachleute auch herausfinden, welche Auswirkungen es haben wird, wenn weder Tunnel noch Umfahrung gebaut werden. "Wir wollen neutral in einer Gesamtschau alles neu bewerten und Verständnis für den Gesamtkomplex entwickeln - auch für das, was nicht geht", sagte Janssen. Dabei ist dem SHP-Chef durchaus bewusst, dass der Erwartungsdruck hoch ist und es angesichts widerstreitender Interessenlagen "schwer wird, es allen recht zu machen". Das Besondere an der Starnberger Situation sei, "dass es sich so lange hingezogen" hat. Erkannt hat Janssen, dass um Tunnel und Umfahrung "ein richtiger Kampf" entbrannt ist, der noch lange nicht beendet ist. Ohnehin fehle für die gesamte Region ein Verkehrsmodell. Die vordringlichste Aufgabe sieht Janssen darin, "jene Dinge auf den Plan zu bringen, die noch fehlen für eine Entscheidung". Man darf also gespannt sein.

Bürgermeisterin Eva John wird dem Ferienausschuss in einer Sondersitzung am heutigen Mittwoch (18 Uhr, Schlossberghalle) den aktuellen Stand zu Starnbergs Verkehrsprojekten, insbesondere aber zum Bau der Westumfahrung, erläutern.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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