Starnberg:Noch viele Barrieren

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VdK-Präsidentin Verena Bentele fordert bei der Podiumsdiskussion im Starnberger Landratsamt die Abschaffung von Förderschulen. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Bei einer Podiumsdiskussion wird deutlich, wie schwierig der Weg zur Inklusion ist

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Es ist noch wahnsinnig viel zu tun. Mit der konkreten Umsetzung der Inklusion müssen wir uns noch intensiver beschäftigen", findet Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK in Deutschland. Bei der Podiumsdiskussion zur Frage "Inklusion: Wo stehen wir heute?", die der VdK-Kreisverband Starnberg und die Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen (Arge) organisiert hatten, pocht sie auf das Menschenrecht der Gleichheit aller und betont, dass es bei der Inklusion nicht darum geht, dass sich die Menschen mit Behinderung integrieren, sondern dass das System so verändert wird, dass alle teilhaben und sich wiederfinden können.

Anfang des Jahres hat das Landratsamt den Sozialpädagogen Maximilian Mayer als hauptamtlichen Behindertenbeauftragten eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehört, einen Aktionsplan mit mehr als 100 Handlungsempfehlungen umzusetzen. Mittlerweile wurde dabei auch eine Reihenfolge nach Wichtigkeit festgelegt. Inklusive Wohnformen, die Belange von Behinderten bei der Entwicklung von Siedlungskonzepten und die Personalsituation stehen dabei ganz oben.

Bei der Podiumsdiskussion im Landratsamt, die von der SZ-Journalistin Sylvia Böhm-Haimerl moderiert wurde, berichteten Vertreter verschiedener Institutionen über ihre Arbeit, Fortschritte und Ziele. Themen waren beispielsweise barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum, öffentlicher Nahverkehr, Inklusionsschulen, Ausbildung und berufliche Eingliederung. Es gehe nicht nur um die Berücksichtigung von Behinderungen, sondern auch um Verbesserungen für Senioren, Familien und Alleinerziehende, sagt VdK-Kreisvorsitzende Barbara Frey. Schwellenlose Wohnungen beispielsweise seien ebenso wichtig für Senioren wie für Rollstuhlfahrer. Michael Vossen vom Verband Wohnen fordert von den Kommunen, mehr Grundstücke für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen und die Barrierefreiheit festzuschreiben. Eine Mutter mit einem mehrfach behinderten Sohn beklagte, dass sie nach 18 Monaten Suche eine nur nahezu barrierefreie Wohnung gefunden habe, neue rollstuhlgerechte und bezahlbare Wohnungen jedoch an Menschen ohne Behinderung vergeben wurden.

Es gehe auch darum, die Barrieren in den Köpfen zu beseitigen, heißt es in einer Resolution, die VdK und Arge gemeinsam formuliert haben. Demnach wäre Bayern reich genug, um mehr Geld für Projekte und die notwendige Infrastruktur bereitzustellen. Petra Seidl von der Arge zeigte sich zufrieden über den barrierefreien Umbau von öffentlichen Gebäuden, kritisierte jedoch große Mängel bei den Bahnhöfen und im öffentlichen Nahverkehr.

Beim Thema Schule gehen die Meinungen auseinander. Nur die konsequente Abschaffung der Förderschulen führten zur Inklusion, findet Bentele. Schulamtsleiterin Elisabeth Hirschnagl-Pöllmann meint hingegen, dass sich Förder- und Regelschulen gut ergänzten. Nötig seien mehr Lehrer und spezielle Fortbildungen, zudem Psychologen, Sonderpädagogenund Sozialarbeiter, um Kinder mit einer körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung in Regelklassen gut zu betreuen, wie auch Nicole Bannert vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband fordert. Einig waren sich alle, dass die frühkindliche Förderung gut funktioniere. Christian Münzel von der Lebenshilfe weist auf die Erfolge mit der gemeinsamen Betreuung im Kinderhaus in Gauting hin.

Was die Ausbildung und Beschäftigung betrifft, herrscht große Skepsis. So fehle die Bereitschaft, Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten zu schaffen. Gudrun Preß vom Integrationsfachdienst Starnberg (IfD) erklärt, wie sie Schüler und Schulabgänger bei der Berufsfindung und Praktika begleitet und Arbeitgeber aufklärt.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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