Armenversorgung:Neue Wege für die Tafel

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Starnberger Hilfsorganisation löst sich von der Diakonie und gründet einen eigenen Verein. Mit ein Grund sind Querelen unter den Ehrenamtlichen über den Führungsstil

Von Christiane Bracht, Starnberg

Die Starnberger Tafel stellt sich neu auf: Ende nächster Woche will sie sich aus dem Schatten der Diakonie lösen und einen eigenen Verein gründen. Die Satzung muss laut Detlev Wagner, dem Leiter der Tafel, nur noch vom Finanzamt genehmigt werden. Über die Gründe für diesen Schritt schweigt er aber noch. Wagner sagt nur so viel: Die Tafel sei in den vergangenen Monaten größer geworden.

Vor einem Jahr hatten er und seine Mitstreiter noch 80 Kunden, inzwischen sind es 120, zwischenzeitlich waren es sogar bis zu 180. Grund für den Ansturm ist die stetig steigende Zahl an Asylbewerbern, die nicht nur aus Starnberg, sondern teilweise auch aus Feldafing, Tutzing, Gauting und Pöcking nach Starnberg kamen. Drei Viertel der Bedürftigen waren im Sommer Flüchtlinge. Das führte zu bösem Blut, denn viele Einheimische fühlten sich benachteiligt, wenn sie donnerstags weniger bekamen als sonst oder gar mit den Resten Vorlieb nehmen mussten.

Die Tafel, die bisher jeden mit Lebensmitteln versorgt hatte, der in Starnberg war und dessen finanzielle Situation sehr knapp bemessen war, führte Ausweise ein. Seither wird nur noch bedient, wer in Starnberg wohnt - maximal 120 Personen. Alle weiteren müssen hoffen, dass ein anderer nicht mehr zur wöchentlichen Lebensmittelausgabe erscheint und so seinen Platz frei macht. Wie lange man warten muss, bis man endlich zum Zuge kommt, oder wie viele auf der Warteliste stehen, konnte Wagner der SZ nicht sagen. Er versicherte nur, dass die Tafel strikt darauf achte, dass die Zahl der Flüchtlinge und die der einheimischen Bedürftigen ausgewogen ist, also halbe - halbe. Seit dem 1. Januar kostet der Besuch bei der Tafel für jeden einen Euro. Damit niemand glaubt, er bekomme bei der Tafel etwas Wertloses geschenkt, das man an der nächsten Ecke leicht wieder wegwerfen kann, erklärt Wagner. "Es ist ein symbolischer Akt." Anwohner hätten sich laut Wagner beschwert, dass sie früher schon einmal donnerstags auf dem Weg zum Bahnhof einen achtlos weggeworfenen Laib Brot gefunden haben. Durch einen eigenen Tafelverein erhofft man sich mehr Personal, aber auch mehr Geld, denn Mitglieder tragen nicht nur die Idee, sondern bringen auch Mitgliedsbeiträge, eventuell auch großzügige Spenden, erklärt der Vorsitzende des Starnberger Diakonievereins Hans-Rainer Schuchmann. Und auf Spenden ist die Tafel angewiesen, besonders seit sie Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln zukaufen muss. Seit etwa einem dreiviertel Jahr ist dies laut Wagner nötig, denn die Supermärkte kalkulieren knapper und so bleibt weniger übrig für die Tafel. "Die Welt wird einfach anders", sagt Schuchmann. Doch der Ruf nach einem eigenen Verein hat offenbar noch andere Gründe: Die wachsende Zahl an Kunden sei nur vorgeschoben, sagen einige Helfer unter der Hand. Es ist vielmehr so, dass die Ehrenamtlichen in zwei Lager gespalten sind: Die einen wünschen eine straffe Organisation, um alles effektiver zu gestalten, die anderen prangern den rüden Umgangston an, der sich bei den wöchentlichen Lebensmittelausgaben nicht nur gegenüber den Bedürftigen, sondern auch unter den Helfern breit gemacht habe. Wer kurz herumstehe, um auszuruhen, werde sofort angepflaumt, obwohl viele Ehrenamtliche hochbetagt seien, klagen langjährige Mitarbeiter. Und auch die Bedürftigen werden offenbar nicht geschont: So habe einer hungrig bei der Essensausgabe angestanden, doch als er an der Reihe war, habe man ihm gesagt, er bekomme nichts, denn er sei zu dick und müsse sowieso abnehmen. Andere seien beschuldigt worden, dass sie geklaut hätten und vom Platz verwiesen worden, ohne dass dies bewiesen sei. Es fehle die Menschlichkeit und vielen auch die persönliche Ansprache, klagen Ehrenamtliche. Sie hoffen, auf einen neuen Vorsitzenden durch die Gründung eines Vereins und damit auf ein besseres Miteinander.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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