Starnberg:Nachschlag für den Stadthaushalt

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Vorhaben wie der B2-Tunnel und die Planung für eine ortsferne Umfahrung kosten mehr Geld als eigentlich im Etat eingeplant. Mit dem Vorgehen der Bürgermeisterin in Sachen Seeanbindung sind viele Stadträte wie Stefan Frey nicht einverstanden. "Wir rasen in ein schwarzes Loch"

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Haushaltsentwurf 2017 und die Finanzplanung der Stadt Starnberg für die Jahre 2018 bis 2020 müssen noch einmal überarbeitet werden. Das in vier Ausschusssitzungen vorberatene, rund 93,76 Millionen schwere Paket muss noch einmal aufgeschnürt werden, weil die Stadt diverse zusätzliche Leistungen in den mehr als 500 Seiten starken Entwurf einarbeiten muss. Einhellig nahm das Gremium am Montag in einer Sondersitzung den Haushaltsentwurf zur Kenntnis, zur Verabschiedung kam es jedoch nicht. Die nahezu vierstündige, teils ausschweifende Debatte offenbarte ein weiteres Mal das tiefe Misstrauen einer Mehrheit des Stadtrats gegenüber der Verwaltung, insbesondere aber gegen Bürgermeisterin Eva John.

Wichtigste Posten im Entwurf sind 500 000 Euro auf einer neuen Haushaltsstelle zur Prüfung einer ortsfernen Nord-Ost-Umfahrung sowie - in der Finanzplanung vom Jahr 2019 an - die Mittelbereitstellung in Höhe von ebenfalls einer halben Million Euro zum Bau des B2-Tunnels. Der Beschluss vom 20. Februar zum Bau des B2-Tunnels und eingehender Prüfung einer ortsfernen Nordost-Umfahrung erfordert eine Nachjustierung des Finanzpaketes. Doch auch für die Umsetzung der "Seeanbindung" oder eine denkbare Auflösung des Vertrags mit der Bahn werden - nach Hinweis der Kommunalen Rechtsaufsicht - ebenfalls 500 000 Euro Rückstellungen eingeplant. Hinzu kamen Wünsche wie 50 000 Euro für eine Verkehrsuntersuchung in Percha oder 20 000 Euro für einen Anbau ans Feuerwehrhaus in Hanfeld.

Stadtkämmerer Thomas Deller präsentierte zum Auftakt der Sitzung die Eckwerte der Haushaltsplanung. "Ich tue jetzt einfach mal so, als ob der Haushalt so beschlossen wird, wie er vorliegt", sagte er. Ungeachtet der noch einzuarbeitenden Änderungen hatte der Haupt- und Finanzausschuss dem Stadtrat zuletzt ein Paket mit einem Volumen von 73,4 Millionen Euro im Verwaltungsetat und 20,4 Millionen Euro im Vermögenshaushalt empfohlen.Deller sprach von einem "historischen Höchstwert". Größte Einnahmequellen der Stadt sind weiterhin die Gewerbe- und Einkommensteuer, allerdings wird das Niveau laut Deller in den nächsten Jahren nicht zu halten sein. Größte Ausgabeposten der Stadt sind die Kreisumlage (16,34 Millionen) und Personalkosten (15,54 Millionen). Für 2017 ist bislang keine Neuverschuldung vorgesehen, die Pro-Kopf-Verschuldung sinkt mit 603 Euro unter den bayerischen Landesdurchschnitt (655 Euro). Allerdings sind auch die städtischen Finanzrücklagen bis auf 1,22 Millionen Euro abgeschmolzen.

Bereits Ende Februar hatte die Bürgerliste (BLS) infolge des Stadtratsbeschlusses zum Bau des B2-Tunnels einen gesonderten Etat in Höhe von 500 000 Euro zur Untersuchung der ortsfernen Umfahrung beantragt. Überraschenderweise aber preschte am Montag Josef Pfister vom "Bündnis Mitte Starnberg" (BMS) mit einem nahezu gleichlautenden Antrag vor, was für Irritationen vor allem bei der BLS sorgte. Im ursprünglichen Entwurf waren 125 000 Euro vorgesehen, allerdings nicht spezifisch für die Nordost-Umfahrung. Das Geld soll nun "umgeschichtet" werden. Weitere 100 000 Euro sind jeweils für ein Innenstadt-Verkehrskonzept und den Umbau der Rheinlandstraße vorgesehen.

Eine knapp einstündige Diskussion provozierte das Thema "Seeanbindung". Schon im Juli 2015 hatte Annette von Czettritz (Grüne) ein Gutachten beantragt, das die juristischen und finanziellen Folgen eines Ausstiegs aus dem 1987 geschlossenen und bis Dezember 2017 geltenden Bahnvertrag beleuchtet. Doch diesem Auftrag des Stadtrats ist John nicht nachgekommen. Die Bürgermeisterin erklärte, die Bahn habe sich bislang nicht bei der Stadt gemeldet; ein Gespräch zwischen Vertretern der Deutschen Bahn und der Stadt zum Thema Bahnvertrag ist nicht zustande gekommen, das Projekt "Seeanbindung" sei in geplanter Form nicht finanzierbar. Patrick Janik (UWG) zeigte sich - ebenso wie die meisten Stadträte - bestürzt darüber, dass der Stadtratsbeschluss nicht ausgeführt wurde. Er mutmaßte: "Herrscht da Angst vor Erkenntnisgewinn?" Martina Neubauer (Grüne) sagte: "Wir wissen nicht, wie wir beim Thema Bahnhof und Seeanbindung weitermachen." Stefan Frey (CSU) befand: "Wir rasen mit einem D-Zug in ein schwarzes Loch." Und Klaus Rieskamp (BLS) sah einen "Showdown mit der Bahn" auf die Stadt zukommen. John möchte - ebenso wie Günther Picker (WPS) - die Debatte zum Thema Bahnvertrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortsetzen. Spätestens im Juni soll das Gutachten nun vorliegen.

In der Aussprache wurde anhand vieler Beispiele erneut massive Kritik am eigenwilligen Arbeitsstil der Bürgermeisterin ohne Einbindung der zuständigen Gremien geäußert. Als Konsequenz daraus stehen sämtliche größere Ausgabeposten der Stadt unter Vorbehalt, und auch die Personalplanung soll künftig der Prüfung des Stadtrate unterliegen. Die UWG will zudem eine Vorverlegung der übergeordneten Sonderprüfung der Starnberger Haushalte 2015 und 2016 durch den kommunalen Prüfungsverband beantragen. Die nächste Stadtratssitzung findet voraussichtlich am Montag, 27. März, statt.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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