Starnberg:Musikdrama mit Niveau

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Von Liebe und Freitod: Szene aus der "Romeo und Julia"-Aufführung mit Sprecherin und Musikern. (Foto: Nila Thiel)

"Romeo und Julia" bei den Junispielen der Kunsträume

Von Patrizia Steipe, Starnberg

Es ist eine der bekanntesten Liebesgeschichten der Welt: Romeo und Julia. Shakespeares Tragödie gehört 400 Jahre nach seinem Tod immer noch zum Standardrepertoire jeder größeren Bühne. Die Geschichte inspirierte aber auch zahlreiche Künstler. Eine zum Klassiker gewordene moderne Variante von Romeo und Julia ist das Musical "West Side Story" mit der Musik von Leonard Bernstein. Heutigen Kindern ist vor allem die Version aus dem Schultheater des Teenie-Films "Fack ju Göthe" bekannt. "Hey Julia, komm runter, chillen", ruft bei dieser Fassung ein leicht minderbemittelter Romeo.

Bei den "Junispielen schön jung" der Kunsträume am See gehen die Künstler einen anderen Weg, um Kinder für den Klassiker zu interessieren. Statt auf Jugendsprache und Klamauk setzen die Sprecherin Belle Schupp und der Komponist Peter Francesco Marino auf gutes Niveau - das aber kindgerecht aufbereitet wurde. In der Schlossberghalle fand die Uraufführung des Musikdramas "Romeo und Julia" statt. Grundlage war das in der Reihe "Weltliteratur für Kinder" erschienene Kinderbuch "Romeo und Julia" von Barbara Kindermann.

Für die kulturbeflissenen Starnberger Eltern war das klassisch inspirierte Musiktheater natürlich eine bessere Option als der flache Kinofilm. Im kleinen Saal der Schlossberghalle reichten die Stühle für die Besucher bei weitem nicht aus. Reihenweise saßen die Kinder wie beim Kasperltheater ganz vorne auf dem Boden. Die Ickinger Schauspielerin Schupp hatte sich in ein papageienbuntes fließendes Gewand gehüllt, um damit eine Brücke zu den romantischen Illustrationen von Christa Unzner zu schlagen. Sehr ausdrucksvoll erzählte die Schauspielerin die Liebesgeschichte. Vor allem die Kenner des Originalwerks freuten sich darüber, immer wieder Originalzitate zu erkennen, die in die einfache Sprache eingebettet waren. Wie den Klassiker "Willst du schon gehen? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang". Die märchenhaften Illustrationen von Christa Unzner wurden per Beamer auf die Wand geworfen.

Komponist Marino hat für die Vertonung die kammermusikalische Besetzung von Messiaens "Quatuor pour la fin du temps" gewählt: Violine, Klarinette, Cello und Klavier. Die Solisten des Gärtnerplatztheaters, Kumiko Yamauchi, Rolf Weber, Clemens Weigel und Kazue Weber-Tsuzuki, setzten den gesamten Reichtum der Klangfarben ein, um alle emotionalen Facetten der Tragödie auszudrücken: Leidenschaft, Verzweiflung, Missgunst und Aggressivität. Harmonische Arabesquen auf dem Klavier beschrieben die liebliche Julia, kraftvolle Akkorde den Jüngling Romeo. Mit lautmalerischen Gekratze auf den Saiten und dumpfen atonalen Tönen wurde der mordlüsterne Cousin Tybalt charakterisiert, und mit einem bedrohlichen Crescendo steigerte sich die Rachsucht zum Fortissimo, um abrupt mit dem Todesstoß abzubrechen.

Viele Worte brauchte es angesichts der kontrastreichen Melodien nicht, um das Stück zu verstehen. Vor allem, da die Musiker, allen voran der Cellist Clemens Weigel, mit vollem Körpereinsatz und sichtbarer Begeisterung für die Musik dem Ganzen einen besonderen Impetus verliehen. An dem tragischen Schluss können sie aber auch nichts ändern. Romeo und Julia sterben auch heute - so wie vor 400 Jahren.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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