Starnberg:Mittelalterliches Lagerleben

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Ein Wochenende lang gibt im Starnberger Schlossgarten die Renaissance den Ton an - und zieht viele Besucher an

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

"Kuck mal, der kann seinen Kopf ganz nach hinten drehen", ruft ein Junge und betrachtet fasziniert den Adler, der stolz auf seinem Pflock im Schatten eines Baumes sitzt. Der Greifvogel zeigt keine Scheu und schaut den Jungen interessiert an. Als ob er den Jungen verstanden hätte, dreht er erneut seinen Kopf um 180 Grad, um die Tänzer in ihren historischen Kostümen hinter seinem Rücken zu beobachten. Der Papa des Jungen zückt sein Handy und macht ein Foto. Die Greifvögel im Starnberger Schlossgarten dürften wohl das am meisten fotografierte Motiv und ein Programmhöhepunkt auf dem Schlossfest am Wochenende gewesen sein. Sämtliche Besucher bleiben stehen und nutzen die Chance einmal Vögel aus der Nähe zu betrachten, die man normalerweise nur hoch am Himmel fliegen sieht.

Die Band "Bordunita" sorgte für Stimmung im Schlossgarten. (Foto: Nila Thiel)

Drei Tage lang, von Freitag bis Sonntag, hatten die Starnberger die Gelegenheit, bei schönstem Wetter einen Blick zurück zu werfen in die Vergangenheit - als Edelleute Feste im Schloss feierten oder auf dem Starnberger See. Erstmals fand das Schlossfest zur 100-Jahr-Feier der Stadt statt. Seither wird es alle zwei Jahre wiederholt und hat sich zu einem beliebten Spektakel entwickelt, das täglich rund 500 Besucher anzieht. Was als Renaissancemarkt in dem blühenden Schlossgarten mit Abendveranstaltungen - etwa das traditionelle Burghofsingen des Starnberger Heimat- und Trachtenvereins im Schlosshof - begann, wurde nach und nach erweitert. Dieses Mal kann man eintauchen in das Lagerleben des Mittelalters mit historischen Zelten, kulinarischen Genüssen aus der damaligen Zeit und Schwertkämpfern.

Seinen achtjährigen Steinadler "Sky" brachte Paul Klima in den Schlossgarten. (Foto: Nila Thiel)

Die Leute schlendern herum, treffen Bekannte oder sitzen an den Bierbänken, um sich eine Brotzeit zu gönnen. Besonders bei den Handwerkern herrscht großes Gedränge. Es werden Schmuck und Seifen hergestellt oder Flaschenkorken gedrechselt. Interessiert fragen die Besucher, wie beispielsweise ein Ledergürtel "punziert", also mit Mustern verziert wird. Es sei ihr großes Hobby am Wochenende durch Bayern und Schwaben zu fahren und gemeinsam mit Freunden mittelalterliches Lagerleben zu spielen, erzählt Nicole Baier, während sie an einem Haarnetz häkelt. Zwei Frauen in mittelalterlicher Tracht sitzen im Schatten an ihrem Spinnrad. Sie sind Mitglieder der Handspinngilde in Oberhaching. Geduldig erklären sie den Besuchern, welche Eigenschaften Naturfasern haben und wie sie verarbeitet werden.

Der Schmied in seiner Lederkleidung und seinem rußgeschwärzten Gesicht zieht die Zuschauer in Massen an, obwohl die Temperaturen am offenen Feuer bei der Hitze kaum auszuhalten sind. "Wenn ich das Eisen herausnehme, hat es 1000 Grad", erklärt er und zeigt die Gürtelschnalle her, die er gerade anfertigt. Ein kleines Mädchen versucht mit einer Armbrust den Drachen auf einer Schießscheibe zu treffen. Einen zweiten Versuch hat sie nicht, weil die anderen Kinder hinter ihr Schlange stehen. Die Holzschwerter, die es an dem Stand zu kaufen gibt, sind der Renner. Kaum ein Junge kann daran vorbeigehen. Standbetreiberin Paulina Mangiardi ist schon fast ausverkauft. Die Saarländerin ist begeistert von Starnberg. Sie habe einspringen müssen für einen anderen Händler und sei nachts durchgefahren, um den Stand pünktlich öffnen zu können, erklärt sie. Zu den Bogenschützen finden leider nur wenige Besucher den Weg. Aus Sicherheitsgründen mussten die Schießscheiben etwas abseits aufgestellt wurden. Kulturamtschefin Annette Kienzle, die das Fest organisiert hat, ist rundum zufrieden. Besonders gefällt ihr, dass zahlreiche Besucher selbst in mittelalterlicher Kleidung gekommen sind.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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