Starnberg:Mit Herzbrezen gegen Jobverlust

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Demonstration vor dem Tengelmann-Markt im Starnberger Gewerbegebiet: Gewerkschaft und Mitarbeiter befürchten schlechtere Bezahlung bei mehr Arbeit. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Mitarbeiter der Supermarktkette Tengelmann befürchten nach einer Fusion mit Edeka schlechtere Arbeitsbedingungen und Kündigungen. In Starnberg startet darum eine bayernweite Sympathieaktion

Von Christian Deussing, Starnberg

Die Mitarbeiter sind tief verunsichert. Von Angst ist sogar die Rede. Seit im Gespräch ist, dass die Supermarktkette "Kaiser's Tengelmann" vom Konkurrenten Edeka übernommen werden soll, bangt man. Betroffen sind zum Beispiel Benedikta Koch und Ugur Basaran, die seit zehn Jahren in der Tengelmann-Filiale im Starnberger Gewerbegebiet arbeiten. Beide befürchten, nach einer Fusion weniger Geld in der Lohntüte zu haben, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zu bekommen und obendrein noch mehr arbeiten zu müssen.

Deshalb starteten der Konzern-Betriebsrat der Region Süd und die Gewerkschaft Verdi am Mittwoch in Starnberg vor dem Tengelmann-Markt eine bayernweite Sympathieaktion mit Herzbrezen und Broschüren, um auch Kunden über die drohenden Tarif- und Jobverluste aufzuklären. Denn Edeka plane nach der Übernahme, die Filialen an selbständige Kaufleute auszugliedern, was zu "prekären Beschäftigungen mit neuen Verträgen und zur Tarifflucht führen" werde, betonte Hubert Thiermeyer, der als Verdi-Fachbereichsleiter an der Aktion in der Kreisstadt mitwirkte. Er warnte vor der "Privatisierung" der Filialen und den dadurch "künftigen massiven Druck auf Mitarbeiter und Betriebsräte", deren Existenz geschützt werden müsse, sagte Thiermeyer der SZ.

Aufgehängt wurde das Plakat "Unser Herz schlägt für unsere Arbeitsplätze", was sicher ebenso Filialleiter Christian Heiß so unterschreiben würde. Er möchte nun die "Kunden mitnehmen" und über die Konsequenzen aufklären, wenn Tengelmann mit seinen tariflich gesicherten Arbeitsverhältnissen vom Markt verschwinden würde. Hierbei verweist Heiß aber auch auf die Folgen für Lieferanten und Handwerker, die für sein Unternehmen tätig sind. Diese Aufträge wären dann gestrichen, erläutert Heiß, der Chef von 90 Mitarbeitern ist.

Nach Starnberg ist auch der Tutzinger Filialleiter Hendrik Müller gekommen. Er findet es bemerkenswert, dass trotz der Hängepartie und ungewissen Zukunft bisher nur wenige Mitarbeiter gekündigt hätten und die überwiegende Mehrheit Tengelmann die Treue hält. Einige der Verkäufer seien sogar zurückgekommen, berichtet Müller, während ein Verdi-Mann Postkarten an Kunden verteilt und versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Einige seien von der Aktion überrascht und nicht über die Probleme informiert gewesen, berichtete der Gewerkschafter. Die meisten Leute hätten wohlwollend reagiert. Nur ein Kunde habe angemerkt, dass er selbst "ja auch kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld" bekomme.

Nach Angaben von Verdi ist Tengelmann mit 20 Filialen und etwa 450 Mitarbeitern im Landkreis Starnberg stark vertreten. Und das Zittern geht für die Beschäftigen weiter. Zwar hatte das Bundeskartellamt den Verkauf an Edeka wegen zu starker Marktmacht im April untersagt. Aber die jeweiligen Konzernbosse haben längst noch nicht aufgegeben. Sie sollen inzwischen der Bundesregierung gedroht haben, 8000 von 16 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann zu streichen, sollten die Fusionspläne endgültig scheitern. Für Thiermeyer ist dies "glatte Erpressung".

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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