Starnberg:Mit Erzlaute und Barockgitarre

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Instrumente und ein Diskurs illustrieren Musik des Frühbarock

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Nach wie vor gehören Konzerte in historischer Aufführungspraxis zu den Raritäten im Konzertbetrieb nicht nur des Fünfseenlandes. Das dürfte auch der Grund für den erfreulich guten Besuch des Konzerts in der Kapelle des Starnberger Klinikums gewesen sein, zumal historische Instrumente (als Nachbauten) auch einen optischen Genuss versprachen. "Musik des italienischen Frühbarock" kündigte das Trio den Abend an, gab aber darüber hinaus auch eine Lehrstunde zum Thema, gehören doch dem Projektensemble Koryphäen des Fachs an.

Allen voran Christoph Eglhuber, der als Continuospieler schon Größen wie Sol Gabetta, Dorothee Oberlinger, Christian Gerhaher, Michael Volle oder Juliane Banse begleitete. Nach Starnberg brachte er gleich vier seiner vielen Saiteninstrumente mit. Mit Barockgitarre, Erzlaute, Theorbe und Colascione (Langhalslaute) ausgestattet, vermochte Eglhuber nicht nur die feine klangliche Differenzierung der Musik zu demonstrieren, sondern auch die vielen Ostinato-Modelle (feste Bass- bzw. Harmoniekonstruktionen) und Gattungen wie etwa Romanesca, Folia, Bergamasca, Ciaccona oder Passacaglia zu erläutern. Der Tausendsassa der Alten Musik und Dozent an der Uni Regensburg schöpfte hier auch in der Theorie aus dem Vollen und fesselte mit kleinen Diskursen durch die Musikgeschichte und Instrumentalentwicklung.

Susanne Kaiser, die mit der pedallosen Barockharfe meist für die dicht verwobene Fülle zu sorgen hatte - auch wenn Eglhubers mächtige Basssaitenklänge dahingehend nicht zu verachten waren -, spielt ebenfalls in zahlreichen Ensembles für Alte Musik mit, unter anderem auch zusammen mit Eglhuber. Bevorzugter Einsatzort: Landshuter Hochzeit. Die Sopranistin Dong-hee Kim ist indes nicht nur in der Alten Musik zu Hause, vermochte jedoch diszipliniert das Vibrato ihrer Stimme zurückzunehmen und vor allem die barocke Kunst der Affekte wirkungsvoll stimmlich in Szene zu setzen. Dies war in den Vokalwerken schon entscheidend, ist doch der italienische Frühbarock eine überaus emotionale Epoche und mit der Affektenlehre der Rhetorik in der Musica Poetica eng verknüpft. Darauf lag hier der Akzent im Repertoire, zumal eröffnet mit "Hor che augelli" und "Lungi dal vostro lume" von Jacopo Peri, der als Wegbereiter der Oper gilt. Seine Wechsel zwischen erzählerischer Lyrik und packend rhythmisierten, kraftvollen Passagen stellten sogleich die Weichen auf sinnenfreudige Vitalität. Ähnlich spielfreudig auch "Voglio di vita uscir" von Benedetto Ferrari der nachfolgenden Generation. Er ließ als Theorbist den Part des Saiteninstruments vergnügt grooven.

Geradezu rhapsodisch durchliefen die Erzählerischen Lieder mit weiten Melodielinien über einer dichten Begleitung von Tarquinio Merula alle möglichen emotionalen Nuancen, monoton rhythmisiert im Wiegenlied "Hor ch'e tempo di dormire", koloraturenreich ausschweifend im "Su la cetra amorosa" und im engmaschig umspielten "Foll' e ben". Ein wunderbar beschwingt rhythmisiertes Vokalstück kam mit "Augellin" von Stefano Landi zur Aufführung. Es ließ erkennen, dass der Komponist selbst Sänger und mit den Feinheiten des stimmlichen Ausdrucks vertraut war. In der Kantate "Che si può fare", einem Monolog zwischen brennender Liebe und Zweifeln daran, rührte die Einfühlsamkeit eher von der Materie her, zumal von Barbara Strozzi wohl aus eigener Erfahrung heraus komponiert. So viel der Emotionen, dass die rein instrumentalen Stücke dazwischen mit ihrem straffen Ausdrucksduktus schon gut taten, etwa die melismenreiche Aria von Marco Uccelini, das leichte, vergnügte Capriccio von Bellerofonte Castaldi oder die spanisch befeuerte Ciaccona von Alessandro Piccinini.

Der lang anhaltende Applaus animierte zu einer Monteverdi-Zugabe: Eine reich ausgeschmückte Ciaccona.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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