Starnberg:Männer mit starken Nerven

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"Viel Verantwortung für wenig Geld", so lässt sich etwas überspitzt der Beruf des Busfahrers zusammenfassen. Und dennoch wollen einige von ihnen um nichts auf der Welt tauschen

Von Christiane Bracht, Starnberg

Zeitdruck, Staus, verärgerte Fahrgäste, die lange in der Kälte gewartet haben und dann aggressiv werden, wenn sie einsteigen, oder auch schreiende, raufende Schüler - ohne Frage: Busfahrer müssen starke Nerven haben. Kein Wunder, dass der MVV sich schwer tut, geeignete Fahrer zu finden. Besonders, wenn man weiß, dass der Busführerschein schlappe 10 000 Euro kostet und der Verdienst nicht gerade gigantisch ist. "Viel Verantwortung für wenig Geld", fasst Tamas Cziner die Situation zusammen.

Doch nicht alle, die am Steuer eines Busses sitzen, haben den Job angenommen, weil sie dringend Geld verdienen müssen. Es gibt auch Busfahrer, die Spaß an ihrem Beruf haben: Tamas Cziner ist einer von ihnen. Er macht gerade Mittagspause am Bahnhof Nord in Starnberg. "Ich bin seit sechs Uhr früh unterwegs", sagt er. Aber er wirkt irgendwie entspannt und gut gelaunt. Seit fünf Jahren fährt er verschiedene Linien im Landkreis und er macht es gern. "Ich muss nicht, ich will. Da liegt ein großer Unterschied", sagt er. Eigentlich ist Cziner Informatiker, aber das Arbeiten im Büro macht ihm keinen Spaß. Beim Busfahren spürt er dagegen die Freiheit. Das gefällt ihm, auch wenn die Fahrgäste manchmal schwierig sind.

Am liebsten fährt er Richtung Herrsching die Linie 952 oder 957 zum Beispiel. "Das ist eine schöne Strecke, landschaftlich reizvoll, und die Leute in Herrsching sind nett", sagt er. Auch der neue Expressbus X 900 Richtung Gilching und Fürstenfeldbruck sei eine angenehme Langstrecke, "ruhig", wenn nicht gerade Berufsverkehr ist. Aber Cziner liebt auch Herausforderungen wie die 963. Sie führt über Wangen und Leutstetten durch den Wald, wo die Straße "verdammt eng" ist und wenn Gegenverkehr kommt, muss man die Nerven behalten. Unfälle hatte der gebürtige Ungar noch keine, zumindest nicht mit Fahrgästen im Bus.

Auch sein Kollege Fehni Musliji ist begeisterter Busfahrer - seit 16 Jahren schon. Er hat gerade acht Minuten Pause, dann muss er seinen X 900 wieder den Hanfelder Berg hinauf steuern Richtung Gilching. Die ersten Fahrgäste warten schon im Bus. Aber sie sind geduldig. "Klar, stressig ist der Job schon und Zeitdruck gibt's auch immer", sagt Musliji. Die Fahrpläne sind schließlich eng bemessen und im Berufsverkehr kommt man automatisch immer zu spät. "Ich versuche einfach ohne Stress zu fahren und locker zu sein", verrät Musliji sein Geheimnis. Am leichtesten geht das, wenn man pünktlich wegfährt, lacht er. Für die SZ macht er aber eine kleine Ausnahme von einer Minute. Die Fahrgäste sehen es ihm nach: "Er ist der beste Busfahrer", ruft Christian Vogeley begeistert von hinten. Seit zehn Jahren pendelt er bereits mit dem Bus. "Er ist immer gut drauf." Und Musliji freut sich, lächelt. Ein Lob von Fahrgästen, das hört er gern. Es entschädigt für vieles.

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(Foto: SZ-Grafik)

SZ-Grafik; Stand: jeweils 31.12. eines Jahres; Quelle: MVV

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(Foto: SZ-Grafik)

SZ-Grafik; Stand: jeweils 31.12. eines Jahres; Quelle: MVV

Ärger gibt es schließlich genug. Immer wieder steigen erzürnte Leute ein, die schimpfen und ihn für Verspätungen verantwortlich machen und alles, was nicht glatt läuft an dem Tag. Doch Musliji lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. "Ich höre mir das immer an und warte bis sie sich abkühlen, versuche einfach, nett zu sein. Wenn der Ärger etwas verflogen ist, erkläre ich ihnen, woran die Verspätung liegt - ein Unfall, Stau, Berufsverkehr - es gibt viele Gründe und dann haben die Leute meist Verständnis", sagt er.

Auch wenn er trotz Verspätung wartet, um eine alte Oma einsteigen zu lassen oder ihr gar hilft, Platz zu nehmen. Die Menschlichkeit fährt bei ihm mit, auch wenn der Arbeitgeber "immer 100 Prozent verlangt". "Ich bin auch noch nie beleidigt worden", sagt Musliji stolz. Seine Kollegen in anderen Landkreisen erzählten manchmal die wildesten Dinge. "Die Leute im Landkreis Starnberg sind einfach super. Es sind die besten Fahrgäste überhaupt", sagt er strahlend. Keine Aggressivität, keine Stinkefinger. Alles bestens. Und wenn man ihn fragt, ob er schon mal ans Aufhören gedacht hat, sagt Musliji nur: "Ich fahre bis zum Lebensende."

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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