Starnberg:Kunstpreis erhitzt die Gemüter

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Nach dem Protest von Justina Becker ist die Auszeichnung ins Gerede gekommen. Dennoch verteidigen die Kulturamtsleiterin der Stadt und der Juryvorsitzende die Vergabekriterien

Von Gerhard Summer, Starnberg

Es gab immer wieder mal ein wenig Ärger und Kritik, aber noch nie einen solchen Eklat: Die Starnberger Malerin Justina Becker zog bei der Eröffnung der Ausstellung zum Starnberger Kunstpreis ihre Arbeiten zurück und protestierte damit gegen das Niveau der eingereichten Bilder und das Vergabeverfahren. Ihre Kritik, herauszulesen zwischen den Zeilen: Der Starnberger Kunstpreis sei mehr als "Malwettbewerb für Erwachsene" denn als professionelle Veranstaltung zu sehen. Bereits ihr Mann, der im April 2013 gestorbene Maler Stefan Moritz Becker, hatte sich vor etwa sechs Jahren über die Richtlinien der Preisvergabe beschwert. Die Stadt Starnberg sieht gleichwohl "momentan keinen Anlass, etwas zu ändern", wie Kulturamtsleiterin Annette Kienzle am Montag sagte. Sie halte den Wettbewerb nach wie vor für "eine gute Sache", "ich steh' hinter dem Konzept".

Die Stadt vergibt den Kunstpreis seit 1989 alle zwei Jahre. Die Auszeichnung ist zwar nicht mit einer hohen Geldsumme verbunden. Aber der Gewinner darf das kommunale Paul-Thiem-Atelier in einer alten Villa mit hohen Decken und Seeblick für knapp zwei Jahre kostenlos nutzen. Anschließend richtet die Stadt eine Ausstellung für ihn aus. Vom zweiten und dritten Preisträger kauft Starnberg Gemälde an. Die Krux: Beteiligen können sich nur Maler, egal ob Profis oder Amateure, nicht aber Bildhauer, Fotografen oder Performancekünstler. Und weil Starnberg seine eigenen Leute fördern will, sind einzig Künstler mit Lebensmittelpunkt im Landkreis oder in den Anliegergemeinden des Starnberger Sees zugelassen. Was den Kreis der Teilnehmer natürlich nochmals einschränkt. Eigentlich sollte man annehmen, dass sich nach 26 Jahren und 13 Wettbewerben schon alle Maler für diesen Preis beworben haben, die etwas können. Oder aber, dass es kaum noch Bewerber gibt.

Blick in die Ausstellung in der Schlossberghalle, wo die gesammelten Bewerbungen für den Starnberger Kunstpreis zu sehen waren. (Foto: Georgine Treybal)

Doch beides ist laut Keinzle und dem Juryvorsitzenden Thomas Zacharias, vormals Professor und Präsident der Akademie der Bildenden Künste in München, nicht der Fall. Heuer gab es 74 Teilnehmer, etwa die Hälfte davon war erstmals dabei. Natürlich sind darunter viele Feierabendmaler oder Leute, die glauben, nach zwei Semestern an der Akademie Großes zu leisten, wie Zacharias sagt. Aber er halte es für das richtige Konzept, die Teilnahme für alle offen zu halten. Damit stehe im Mittelpunkt, "was man sieht", und nicht die Frage, ob ein Künstler schon Auszeichnungen gewonnen hat. Diese Offenheit sei auch als Ermutigung zu werten, Amateure müssten sich dem Vergleich stellen. Und wenn sie dann Hirschbilder fabrizierten oder naive Landschaften, gehöre das eine zur "Liberalität" und das andere zu den ehrlichen Werken, die ihm sympathisch seien. Der Preis des Ganzen: Die Starnberger Prämierung spiele in der "Lokalliga", sagt Zacharias. "Das Niveau ist selbstverständlich bescheiden, im Raum München gibt es vollkommen andere Maßstäbe. Aber es waren immer gute Sachen dabei." Kienzle sieht es so: Das Niveau sei heuer nicht schlechter oder besser gewesen als in den Vorjahren. Die Juroren seien zwar zu dem Schluss gekommen, dass viele schlechte Bilder eingereicht wurden. Aber zehn Prozent der Arbeiten seien in die engere Wahl gekommen, also einen Preis wert gewesen.

Jeder Bewerber durfte drei Arbeiten einreichen. In diesem Fall kamen also 222 Bilder zusammen. Die achtköpfige Jury nahm sich etwa fünf Stunden Zeit, um die anonymisierten Werke zu beurteilen. Durchschnittlich verweilten die Juroren mithin 1,35 Minuten bei jedem Bild. Was man so natürlich nicht rechnen kann: Viele Exponate flogen sehr schnell raus, für andere nahm sich die Jury mehr Zeit. Zacharias zufolge ist die Bewertung "schon sorgfältig, bei aller Subjektivität", bei jedem Rundgang sei auch eine Revision möglich. Das heißt: Ein Bild, das durchfiel, kann doch noch in die Endrunde kommen.

"Ich steh' hinter dem Konzept": Annette Kienzle, die Leiterin des Kulturamts Starnberg. (Foto: Georgine Treybal)

Zacharias kann sich vorstellen, dass künftig die Kategorien des Wettbewerbs erweitert und Malerei und Grafik zu gelassen werden. Fotografie führte zu weit, da würde jeder seine Urlaubsbilder einschicken, glaubt er. Bürgermeisterin Eva John kündigte für diesen Mittwoch eine Stellungnahme der Stadt zu den Vorwürfen der Künstlerin Justina Becker an.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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