Starnberg:Kunst - eine Illusion

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Wie gemalt: Bei der "Reise zur Kunst" ist auch ein Abstecher zu den Expressionisten in Bernried eingeplant. (Foto: Georgine Treybal)

Das Schwarzlichttheater der Heimatbühne zeigt sein neues Stück mit Szenen über Sisi, Kini und Graf

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Die Bühne ist tiefschwarz, nichts lenkt den Blick ab. Die Augen bekommen lediglich Orientierung durch einen Rahmen aus kleinen Lichtern, die Glühwürmchen gleichen.

Ein Bäckerlehrling in Lederhose und mit weißer Mütze taucht auf. Er bewegt sich langsam zur Bühnenmitte und jongliert mit Breze, Semmel und Hörnchen. Alles wirkt leicht und kontrolliert. Ganz langsam schwebt die Bäckermütze nach oben, wird ersetzt durch einen Trachtenhut - und der Bäckerlehrling verwandelt sich in Oskar Maria Graf. Der Berger Schriftsteller war ein Querdenker mit vielen Ecken und Kanten, er hatte sich unter anderem darüber beklagt, dass seine Werke nicht den Bücherverbrennungen der Nazis zum Opfer gefallen waren.

Das wird auch im Schwarzlichttheater der Heimatbühne Starnberg, "Laterna Obscura" thematisiert. Einzelne Buchstaben tanzen über die Bühne und setzen sich zu Wörtern zusammen. "Verbrennt mich" ist auf der Bühne zu lesen, untermalt von dramatischer Musik und orangeroten Flammen.

Nach zweijähriger Pause trat das Schwarzlichttheater-Ensemble am Wochenende wieder in der Starnberger Schlossberghalle auf. "Reise zur Kunst" heißt das diesjährige Programm, in dem der Starnberger See die perfekte Kulisse bildet. Zwei Urlauberinnen machen auf der MS Starnberg eine Rundfahrt und begegnen dabei bekannten Persönlichkeiten, die Kunst und Kultur am Starnberger See geprägt haben. Bereits im Foyer der Schlossberghalle weisen Öl-Bilder darauf hin, was die Besucher erwartet. Im strengen Schwarzweiß sind Porträts von Lothar-Günther Buchheim zu sehen, von der Biene Maja oder von Vicco von Bülow.

Im Schwarzlichttheater scheint nichts unmöglich. In dieser andersartigen Welt gelten eben auch andere Gesetze. Schwarzes Licht - es sind Stablampen mit ultraviolettem Licht, die weiße und neonfarbene Gegenstände zum Leuchten bringen - verwandelt die Bühne in ein weites Land der Phantasie. Die Figuren entwickeln ein Eigenleben, die neun Spielerinnen indes treten in den Hintergrund. In ihren schwarzen Kostümen sind sie unsichtbar. Sie ordnen sich dem Gesamteindruck unter. Ihre Darstellung beschränkt sich alleine auf die Gegenstände, die zum Leuchten gebracht werden. Die Schwarzlichtszenen leben vom Effekt. Lediglich die beiden Urlauberinnen (Pauline Winkler und Bernadette Leopold), die auf dem Deck der MS Starnberg sitzen, sind zu sehen. Sie erklären die Szenen und halten die Geschichte zusammen.

Ob Feuerwerk im Undosa oder ein Gespenst auf dem Friedhof: Es gibt keine durchgängige Handlung, es sind Szenen zu sehen wie der Loriot-Sketch, bei dem sich Berta und ihr Mann darum streiten, wie lange ein Frühstücksei kochen muss. Natürlich dürfen König Ludwig und Sisi nicht fehlen, die Kaiserin schreibt im romantischen Kleid mit einer überdimensionalen Feder Gedichte an ihren Cousin und Seelenverwandten.

Die Zuschauer begegnen Franz Graf von Pocci und seinem Kasperl Larifari. Sie treffen auf die Expressionisten in Lothar-Günther Buchheims Museum der Phantasie und auf Waldemar Bonsels, der Generationen von Kindern mit seiner "Biene Maja" begeistert hat und jahrelang im Ammerland wohnte.

Seit knapp 20 Jahren gibt es das Schwarzlichttheater Laterne Obscura, seit vier Jahren wird es von Renate Heid geleitet. Das Ensemble macht alles selbst, sogar die Gemälde im Foyer hat die Bühnenleiterin selbst gemalt. Die neun Frauen treffen sich jede Woche, um Ideen zu sammeln, die Szenen zu schreiben, Requisiten herzustellen, über die Musikauswahl zu diskutieren oder die technische Umsetzung. Auch die Vorstellungen müssen intensiv vorbereitet werden: Der Raum muss komplett abgedunkelt sein, damit der Zuschauer nicht aus seinen Träumen gerissen wird. Auch wenn die Darstellerinnen während der Vorstellung nicht zu sehen sind - sie schaffen eine perfekte Illusion. Bei der Premiere der "Reise zur Kunst" bekamen sie begeisterten Applaus.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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