Teilhabe:Kostenloser Kunstgenuss

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Eine symbolische Freikarte übergibt Simone Berger (links) von der Kulturtafel an Irene Matthies aus Tutzing. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Starnberger "Kulturtafel" vergibt Karten für Kino, Konzerte oder Theater an Arbeitslose, Geringverdiener oder arme Rentner. Jetzt wurde der 100. Kulturgast gezählt.

Von Martina Grießbacher, Starnberg

Vor etwa einem Jahr hatte Helmut Kilian, Leiter des Starnberger Seniorentreffs, die Idee, dass es nicht nur eine Tafel mit kostenlosen Lebensmitteln, sondern auch mit Karten für Kulturveranstaltungen geben sollte. Damit war die Starnberger "Kulturtafel" geboren und ging Anfang dieses Jahres an den Start. Das Konzept kommt an, denn jetzt wurde dem 100. "Kulturgast" eine kostenlose Eintrittskarte vermittelt.

Dieser Gast war Irene Matthies aus Tutzing. Die 72-Jährige besuchte am Sonntag das sechste Kammerkonzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in der Evangelischen Akademie Tutzing. Und das trotz ihrer geringen Rente - die "Kulturtafel" machte es möglich. Vor zwei Wochen traf sie zum ersten Mal Simone Berger im Ilse-Kubaschweski-Haus, nachdem sie im Forum, dem Programmheft des Seniorentreffs, auf die "Kulturtafel" gestoßen war. Berger koordiniert als hauptamtliche Mitarbeiterin in Zusammenarbeit mit zwölf ehrenamtlichen Helfern die Vermittlung der Karten. Das Konzept ist simpel: Bürger aus Starnberg und Umgebung, deren finanzielles Budget nicht ausreicht, um kulturelle Veranstaltungen besuchen zu können, können sich bei der "Kulturtafel" melden. "Denn kulturelle Teilhabe ist auch soziale Teilhabe", sagt Berger. Wie mit Matthies bespricht sie zuerst mit allen Kulturgästen ihre Interessen und prüft, ob sie bestimmte finanzielle Kriterien erfüllen. Diese sind beispielsweise der Bezug von Arbeitslosengeld, ein geringes Einkommen oder eine niedrige Rente. Für diese Menschen stellen Kulturveranstalter kostenlose Eintrittskarten für Filme, Konzerte, Theater oder Ausstellungen zur Verfügung. Das können nicht verkaufte Karten sein, oder auch die Spende eines bestimmten Kartenkontingents. So gibt es zum Beispiel im Breitwandkino Starnberg jeden Montag zehn Freikarten. Auch Besitzer von Abonnements bei Theatern oder Ähnlichem können ihr Karten spenden, wenn sie einmal eine Veranstaltung nicht besuchen können.

Wenn Tickets verfügbar sind, kontaktiert Berger Interessierte; wenn jemand eine Veranstaltung besuchen möchte, wird eine Karte an der Abendkasse hinterlegt und kann mit dem "Kulturtafel"-Ausweis abgeholt werden. "Bisher lief das immer reibungslos und diskret", berichtet die Koordinatorin. Auf diese Weise wurden bisher 350 Karten an mittlerweile 105 Kulturgäste vermittelt. Etwa die Hälfte davon sind Kinder, zumeist aus kinderreichen Familien. Kinokarten sind bei ihnen besonders beliebt. Das Angebot der Gratis-Tickets nutzen auch viele alleinerziehende Mütter und Rentnerinnen. Die Kulturgäste stammen großteils aus der Stadt Starnberg, einige kommen auch aus Gauting, Gilching Weßling oder Tutzing. Eines von Bergers Zielen ist es, Menschen aus dem gesamten Landkreis auf die Initiative aufmerksam zu machen. "Auch mehr Angebote für Kinder, vor allem in den Ferien, wären schön", sagt sie. Der Versuch, an kostenlose Eintrittskarten für Schwimmbäder zu kommen, war bisher erfolglos.

Irene Matthies freut sich schon auf die nächste Veranstaltung, die sie mit Hilfe der "Kulturtafel" besuchen kann, denn die rüstige Seniorin ist vielseitig interessiert. "An allem, außer modernem Jazz", sagt sie.

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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