Starnberg:Kittels Multikulti-Truppe

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Starnberger Sicherheitsfirma hat Asylbewerber eingestellt. Und es klappt

Von Otto Fritscher, Starnberg

Es ist eine Multikulti-Truppe, die da bei Petra Kittel um den Tisch steht. Harut Keshishyan ist Armenier, Faisal Asghari kommt aus Afghanistan, und Praful Pun ist in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, geboren. Nun sind die jungen Männer, alle zwischen 20 und 24 Jahre alt, in Starnberg gelandet, bei der Firma Kittel Sicherheitstechnik. Asghari und Pun haben hier vor zweieinhalb Monaten ihre Ausbildung zum "Elektroniker Fachrichtung Informations- und Kommunikationstechnik" begonnen, die insgesamt dreieinhalb Jahre dauert. Keshishyan, der ausgelernt hat und bereits Geselle ist, hat die beiden Jungs quasi unter seine Fittiche genommen. Zusammen gehen sie auf Baustellen, besuchen Kunden in ihren Häusern. Ihre Aufgabe: Alarmanlagen, Brandmelder und andere Sicherheitstechnik montieren und einrichten. Was ja durchaus eine sensible Aufgabe bei den zumeist wohlhabenden Kunden, vor allem in München und im Landkreis Starnberg, ist.

Harut Keshishyan (li.) ist Armenier, Praful Pun kommt aus der Nepal. Seit kurzem machen beide bei Petra Kittel eine Ausbildung zum Elektroniker. (Foto: Georgine Treybal)

"Man kann nicht immer nur über die Integration von Flüchtlingen reden, man muss selbst etwas tun", sagt Chefin Petra Kittel. Sonst bleibe man im Gestrüpp der Zuständigkeiten und Vorschriften hängen. Und man müsse als Unternehmer auch mal ein Risiko eingehen, sagt sie. So läuft das Asylverfahren bei Faisal Asghari noch, eine gewisse Unsicherheit, ob er überhaupt in Deutschland bleiben darf, besteht also.

Und Harut Keshishyan, der Armenier, ist zwar im Besitz eines "Aufenthaltstitels" bis 2017, aber er hat keinen gültigen Reisepass. Der war nur bis zum 29. Februar 2015 gültig, und die Ausländerbehörde im Starnberger Landratsamt weigert sich seitdem, das Dokument zu verlängern. Grund: Keshishyan hat kein armenischen Ausweis bekommen, trotz mehrfachen Vorsprechens im armenischen Konsulat in Berlin. Den bekomme er erst, beschied man ihm, wenn er in Armenien Wehrdienst leiste. Keshishyan ist aber in Deutschland aufgewachsen, er wohnt in Gilching. "Ich habe jetzt eine E-Mail an Landrat Karl Roth geschrieben. Ohne gültigen Pass zu arbeiten, das ist untragbar, da es auf den Baustellen jederzeit zu Kontrollen durch den Zoll kommen kann, und nicht nur Harut, sondern auch wir Probleme bekommen", sagt Petra Kittel. Sie hofft, dass Bewegung in die leidige Angelegenheit kommt. "Wir haben schon immer bei der Auswahl der Lehrlinge nicht nur auf die Schulnoten geschaut", sagt sie. Normalerweise werde Mittlere Reife vorausgesetzt, "aber eben nicht immer". Kittel Sicherheitstechnik ist 1991 gegründet worden, der Familienbetrieb hat mittlerweile 20 Mitarbeiter aus etlichen Nationen, und zurzeit fünf Azubis. "Wir müssen uns unsere Fachkräfte selbst heranziehen, da es immer schwieriger wird, junge Leute fürs Handwerk zu begeistern", sagt Petra Kittel. Die Auftragslage ist gut, da viele Bürger Angst um ihr Hab und Gut hätten und auf Sicherheit setzten.

Faisal Afghari ist seit Anfang September Azubi bei der Firma Kittel. (Foto: oh)

Die beiden neuen Azubis, Faisal und Praful, sprechen mittlerweile ein ordentliches Deutsch. Sie haben es in Kursen über die Arbeitsagentur gelernt, und dann ein Berufsintegrationsjahr gemacht. Beide jungen Männer haben auch den Mittelschulabschluss geschafft. Faisal Asghari ist vor gut drei Jahren mit seinem Bruder, der inzwischen 18 ist, über den Iran, die Türkei, Griechenland und den Balkan nach Deutschland gekommen, zwei Monate hat die Flucht gedauert. "Ich hatte total viele Bewerbungen an verschiedene Unternehmen geschickt", erzählt er. Geantwortet hätten nur wenige, Petra Kittel habe ihn eingeladen, und nach Rücksprache mit ihrem Mann sofort genommen.

Und wie haben die Kollegen reagiert? "Sie helfen mir gerne, wenn ich viele Fragen habe", sagt Asghari. Und die Arbeit mit den Kollegen zeitigt noch einen Nebeneffekt: "Ich lerne nebenbei auch Bairisch, und das ist nicht so schwer wie Deutsch!" Was vor allem in der Berufsschule mit den vielen Fachbegriffen eine echte Herausforderung für Asghari ist. Praful Pun ist vor drei Jahren aus Nepal zu seinem Vater nachgekommen, der in München als Koch arbeitet. Am Wochenende jobbt Pun als Kellner, um sich das Lehrlingsgehalt - rund 600 Euro im ersten Lehrjahr - aufzubessern. In seiner Freizeit spielt er in einer Band Gitarre.

Vorurteile bei den Kunden gegenüber ausländischen Mitarbeitern erleben Petra Kittel und die Angestellten nur selten. "Natürlich sehe ich nicht wie ein Deutscher aus. Da werde ich schon mal gefragt, wo ich herkomme", berichtet Faisal Asghari. Wenn er "Afghanistan" antwortet, kommt schon mal eine Nachfrage. Ein Kunde wollte mal von Asghari wissen, ob er ein "Taliban" sei, "wie alle Afghanen". Dann ist da noch folgende Geschichte. "Wir hatten mal einen Schwarzafrikaner im Team", sagt Petra Kittel. "Eine Frau, die eine Alarmanlage für ihr Haus wollte, hat aber gleich am Telefon gesagt, sie wolle überhaupt keine Lehrlinge in ihrem Haus, erst recht keine ausländischen, denn sie wolle nicht ausgeraubt werden. Ich habe ihr geantwortet: Dann kommen wir eben gar nicht."

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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