Starnberg:Kampf gegen die Uhr

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Die Notaufnahme des Klinikums Starnberg mit Monitor, (v. l.) Armin Schenn, Martin Hauber und Pascal Jaquet. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit April benutzt das Klinikum Starnberg ein digitales System, um Informationen über Patienten aus dem Rettungswagen direkt in die Notaufnahme zu schicken. Das erste Fazit fällt positiv aus.

Von Thorben Pollerhof, Starnberg

In der Notaufnahme des Kreiskrankenhauses Starnberg sieht es fast so aus wie in einem Flughafen. Denn seit April hängt dort an einer Wand ein Bildschirm, der die ankommenden Patienten ankündigt - eben wie der Monitor eines Terminals. Auf diesem Bildschirm wird die Ankunftszeit des Patienten aufgelistet, weswegen er eingeliefert wird, in welchem Zustand er sich momentan befindet. Die Informationen dafür schickt der Rettungsassistent direkt aus Rettungswagen (RTW). Auf dem Gang sind die Informationen noch anonymisiert, auf den Computern der Mitarbeiter der Notaufnahme sind die Akten allerdings vollständig einzusehen, samt mitgeschickten Bildern oder Dokumenten, wie beispielsweise EKG-Werten.

Drei Monate später zieht das Klinikum Starnberg eine erste Bilanz, die durchweg positiv ausfällt. Um die 720 Fälle sind in dieser Zeit über den Nida, den Notfall-Informations- und Dokumentations-Assistenten, vom Sanka in die Notaufnahme übertragen worden. Armin Schenn, ärztlicher Leiter der zentralen Aufnahme, lobt an dem System besonders den Vorteil bei der Ressourcenbeschaffung. "Wir müssen in einer Notaufnahme die Ressourcen so steuern, dass sie rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen." Zu diesen Ressourcen gehören neben dem Personal, also dem zuständigen Arzt für eine bestimmte Fachrichtung, auch die Raumbeschaffung. Damit einhergehend findet nämlich auch eine Priorisierung der einlaufenden Patienten statt - welcher Fall ist akut, welche Räume wie Computertomografie (CT) oder Herzkatheterlabor, müssen freigehalten werden. Besonders nützlich ist das System bei Patienten, die nach dem Auftreten der Symptome nur eine gewisse Zeitspanne haben, in der sie behandelt werden müssen, damit sie keine bleibenden Schäden davontragen. Darunter gehören schwere Herzinfarkte, Blutvergiftungen oder auch Schlaganfälle. Ludwig Zwermann, Oberarzt der invasiven Kardiologie, schwärmt von dem System. "Besonders bei schweren Herzinfarkten müssen die Patienten so schnell wie möglich ins Katheterlabor, damit wir die verschlossene Ader wieder öffnen können." Dabei spricht er von "Time is Muscle", denn je schneller die Ader wieder geöffnet wird, desto mehr Herzmuskeln können gerettet werden; das hat eine Auswirkung darauf, inwieweit das Herz langfristig davon beeinträchtigt ist. Die sogenannte "Door-to-Balloon"-Messung für schwere Herzinfarkte, sprich die Zeit, in der die Ader des Patienten nach Empfang in der Notaufnahme wieder geöffnet werden muss, liegt bei 60 Minuten. "Wir haben in knapp 90 Prozent der Fälle eine Door-to-Balloon-Zeit von unter 60 Minuten." 2012 lag der deutschlandweite Durchschnitt bei 55 Prozent.

Diese Zeitersparnis gilt auch für Schlaganfallpatienten, die nach dem Auftreten der Symptome einen Zeitrahmen von etwa 4,5 Stunden haben, um eine sogenannte Lyse, also eine starke Blutverdünnung, zu bekommen. Auch hier gilt: "Time is Brain", sodass eine schnellere Behandlung des Patienten auch zu einer besseren Erholung führt. "Man weiß aus Erhebungen des Zentrums für Telemedizin, dass durch elektronische Anmeldung die Zeit bis zur Lyse um 25 Minuten verkürzt wird", sagt Zwermann.

Georg Rötzer, Bereichsleiter der Einsatzdienste des Bayerischen Roten Kreuzes, lobt vor allem die Kooperation mit dem Klinikum Starnberg. "Es gab gar keine Diskussion über das Geld, es wurde einfach gemacht." Immerhin ist der Nida eine Investition, die in der Anschaffung einen fünfstelligen und in der Instandhaltung monatlich einen dreistelligen Betrag kostet.

Wegen der ersten erfolgreichen Monate wird Nida auch in Zukunft in Starnberg verwendet. Denn Zeit ist in der Notaufnahme eine sehr begrenzte Ressource.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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