Starnberg:Kalter Genuss

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Auf den Punkt gebracht: Ulli Schäfer, der Dirigent der penibel vorbereiteten Musica Starnberg. (Foto: oh)

Bachs Weihnachtsoratorium in der Stadtpfarrkirche

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Auch wenn Ulli Schäfer am Pult das Tempo wie auch die Rhythmisierung straff anzog, konnte dies leider nichts gegen die unerträgliche Kälte in der Stadtpfarrkirche St. Maria in Starnberg ausrichten. Einige Besucher hielten es denn auch nicht bis zum Schluss aus, manche gingen schon in der Halbzeit. Das ist sehr schade, denn Musica Starnberg präsentierte eine sicher und gut einstudierte Aufführung des Weihnachtsoratoriums und begann das Konzert vor komplett ausverkauften Rängen.

Mit "Jauchzet, frohlocket" stellte Schäfer die Weichen auf einen freudig-feierlichen Duktus, mit dem man die ersten beiden Weihnachtsfeiertage zweifelsohne verbindet. Der Rhythmus, den Bach immer wieder anführt, wenn hymnische Festlichkeit auszudrücken ist, geriet in diesem so kraftvollen Spiel ins Swingen. Die barocke Pracht hat ja - vor allem in der bildenden Kunst - an sich etwas Wuchtiges und reich Bewegtes.

Der Südkoreaner Moon Yung Oh (Tenor) ließ denn auch in seine Erzählung der Rezitative behutsam etwas von dem melodiösen Zugriff einfließen, was auch Beate von Hahn (Sopran), Regine Jurda (Alt) und Andreas Burkhart (Bariton) sogleich schlüssig fortführten. Dies sollte sich insofern als eine konsistente Lösung erweisen, da die Arien, Chöre und Choräle nicht im Kontrast dazu erklangen, sondern vielmehr eins aus dem anderen hervorzugehen schien. In der konzertanten Aufführung, die der Liturgie nicht gerecht werden muss, ergab der Ablauf ein überaus harmonisches Ganzes.

Zu Einförmigkeit führte dieser Kunstgriff keinesfalls, denn die Differenzierung der einzelnen Teile blieb klar charakterisiert. Als eher spätbarockes Element kamen in der Aufführung immer wieder galant wogende Passagen ins Spiel, wie etwa in der Alt-Arie "Bereite dich, Zion", die Jurda mit der warmen Substanz ihrer dunklen Stimme wunderbar lyrisch zelebrierte.

Lyrik beherrscht ja ohnehin das gesamte Werk, doch blieb ihre Erscheinungsform niemals gleich. So flossen die Choräle voller Melancholie und Wärme in die wohlige Breite, obgleich auch hier das Ausbalancieren mit mehr oder weniger Vitalität den feinen Unterschied ausmachte. Eine für Bach typische Lyrikformel, die vor allem in den Soli häufig auftritt und von den Solisten des Abends in fließender Bewegung gehalten wurde, ist das Mäandern in weiten, weich geschwungenen Linien. Aber auch Orchester, Chor und Kinderchor von Musica Starnberg verstanden es, weite Spannungsbögen zu ziehen. Eine kleine Perle war zweifelsohne die Sinfonia zu Beginn der zweiten Weihnachtskantate, die schwärmerisch mit reich kolorierter Leichtigkeit bezauberte.

Dramatische Momente finden sich vor allem in den Kantaten fünf und sechs, zum Schluss des Oratoriums also. Es geht darin um die Huldigung durch die Drei Könige und um die Bedrohung durch Herodes, die schließlich im Jesuskind als Hoffnungsträger ihre Überwindung findet. Die Wahl dieser beiden Teile in der zweiten Konzerthälfte gab dem Abend annähernd die Geschlossenheit, die Bach mit seinem musikalischen Bogen bewirken wollte. Die Solisten verdichteten ihre Erzählung in den Rezitativen mit entsprechender Eindringlichkeit. Dennoch blieb die lyrische Prägung auch hier erhalten, zumal gerade die Arien den Gesangssolisten auch schönmalerische Instrumentalsoloparts an die Seite stellen. Das Mäandern der Stimmen erlangte dabei die höchste Dichte und auch die stärkste Wirkung.

Das die musikalische Textur bestimmende Wogen und plastische Formen gestaltete Ulli Schäfer zunehmend impulsiv, um im dramatischen Höhepunkt mit dem Quartett-Rezitativ "Was will der Hölle Schrecken nun" genügend Spannung für den erlösenden Schlusschoral zu gewinnen. Das Publikum in St. Maria war so gut wie tiefgefroren, aber begeistert.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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