Starnberg:John soll mit der Bahn sprechen

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Die Starnberger Stadtverwaltung beziffert die Investitionssumme für das Großprojekt "Seeanbindung" auf 110 Millionen Euro. Weil dafür 50 bis 83 Millionen fehlen, soll die Bürgermeisterin nach zweijähriger Pause mit Verantwortlichen des Konzerns über Alternativen verhandeln

Von Peter Haacke, Starnberg

Der "Projektausschuss Bahnhof See" hat am Dienstag im Hinblick auf das Starnberger Jahrhundertprojekt "Seeanbindung" mehrheitlich eine möglicherweise richtungsweisende Empfehlung an den Stadtrat beschlossen: Bürgermeisterin Eva John soll nach mehr als zweijähriger Pause endlich wieder mit Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG sprechen und gegebenenfalls neue Konditionen für den 1987 geschlossenen Bahnvertrag aushandeln. Die Zeit drängt, denn am 31. Dezember 2017 läuft der Vertrag mit der Bahn nach 30 Jahren aus. Völlig unklar ist weiterhin, welche juristischen Folgen die Nichterfüllung des Kontraktes durch die Stadt haben wird. Die Stadtverwaltung geht nach aktuellem Stand von einem Gesamtvolumen von 110 Millionen Euro für das Projekt aus, der ungedeckte Finanzierungsbedarf beträgt laut Stadtverwaltung - optimistisch gerechnet - zwischen knapp 50 und 83 Millionen Euro.

Zum Auftakt der nunmehr dritten Sitzung des Jahres befasste sich das Gremium zunächst mit kleinen Schönheitsmaßnahmen auf der Seepromenade. Die Stadtverwaltung hatte dem Projektausschuss diverse Vorschläge unterbreitet, die aber allesamt durchfielen: Die von FDP und Bündnis Mitte Starnberg beantragte Verbesserung der Aufenthaltsqualität an der Seepromenade - weitere Sitzgelegenheiten und gefällte Bäume, neugestaltete Grünflächen, Fahrradständer sowie ein neuer Zaun für 120 000 Euro - lieferten zwar die Vorlage für ausschweifende Beiträge. Doch eine Mehrheit fanden sie nicht. Ein weiteres Plangutachten für die Umgestaltung des Uferbereichs zwischen Seespitz und Bootshütten unterstützten nur WPS, BMS und FDP und die Bürgermeisterin.

Nachdem sich der Ausschuss gut eine Stunde lang letztlich ergebnislos mit Kleinigkeiten beschäftigt hatte, ging es beim Finanzierungskonzept der Seeanbindung ums Große: Etwa 110 Millionen Euro beträgt demnach die Gesamtsumme für das Vorhaben, die in einer kleinteilig bedruckten Tabelle dennoch einige Fragen offen ließ. Der ungedeckte Finanzierungsbedarf beträgt laut John demnach zwischen 49,66 und 83 Millionen Euro. Eine ausreichende Deckung durch Fremdkapital sei "wegen der höchstwahrscheinlichen Versagung der rechtsaufsichtlichen Genehmigung auszuschließen", hieß es. Grund: Die Gesamtverschuldung der Stadt dürfe nach Meinung des Landratsamtes nicht mehr als 25 bis 30 Millionen Euro betragen, erklärte die Bürgermeisterin. Der aktuelle Schuldenstand Starnbergs betrage 17,06 Millionen. "Damit ist einfach Sendepause", konstatierte John, die Finanzierungslücke sei nicht zu decken - selbst über einen längeren Zeitraum bis zum Jahr 2030 nicht.

Die Debatte über die vorgelegten Zahlen offenbarte, dass nicht alle vorgeführten Posten nachvollziehbar sind. Die Vertreter der Allianz plädierten aus verschiedenen Gründen gegen die Erfüllung des Bahnvertrags. Iris Ziebart (FDP) war der Ansicht, die Bahn solle ihre Sachen selbst finanzieren, Josef Pfister (BMS) meinte, mit dem Projekt einen "Klotz am Bein" zu haben, Klaus Rieskamp (BLS) mochte das Vorhaben irgendwo "zwischen Null-Lösung und Bahnvertrag" angesiedelt wissen. Maximilian Ardelt (WPS), zugleich Vorsitzender des Vereins "Schöner zum See", sagte, die konkrete Situation habe sich grundsätzlich geändert: Der Bahnhof See sei nicht mehr verkehrssicher, im Programm zur Barrierefreiheit von bayerischen Bahnhöfen sei Starnberg aufgrund des bestehenden Vertrages aber nicht berücksichtigt worden. Die veranschlagte Summe in Höhe von 110 Millionen Euro sei "unverantwortlich ohne gesicherte Gegenfinanzierung". Der Bahnvertrag müsse beendet werden, zumal er keine Förderungsmöglichkeiten zulasse. Gleichwohl plädierte auch Ardelt dafür, schnellstmöglich ein Gespräch mit den Bahn-Verantwortlichen zu suchen. Das Ansinnen griffen CSU, UWG, SPD, Grüne und DPF auf - zumal es in den vergangenen zwei Jahren zwischen Stadt und Bahn vorwiegend zum Austausch von insgesamt nur elf E-Mails und Briefen gekommen war. Nur einmal im Frühjahr 2016 rief die DB Netz AG direkt im Rathaus an: Man wollte wissen, ob die Tunnelplanung von Lutz J. Janssen im Auftrag oder in Zusammenarbeit mit der Stadt Starnberg erstellt werde. Dies wurde verneint.

Der Projektausschuss beschloss mit knapper Mehrheit gegen die Stimmen von WPS, BMS, FDP und John, dass die Bürgermeisterin spätestens im Dezember von den Ergebnissen ihrer Gespräche mit der Bahn und über mögliche Alternativen und Varianten zum Projekt berichten soll. Zudem sollen aus juristischer Perspektive die Folgen eines einseitigen Ausstiegs aus dem Vertrag dargestellt werden. Dieser Antrag war bereits 2015 gestellt worden.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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